Mittwoch, 19. Februar 2014

Portfolio "Religion in der Literatur" - 2 Religion heute



2 Religion heute

Sehen wir uns doch einmal in unserem näheren Umfeld um. Ich bin nun 18 Jahre alt und ich muss mir ehrlich eingestehen, in die Kirche gehe ich allerhöchstens zu Weihnachten, bei Hochzeiten oder bei Begräbnissen. Ich kenne niemanden, der freiwillig öfter die Messe besucht.
Mit 16 Jahren habe ich meiner Mutter gesagt, dass ich mit 18 aus der Kirche austreten will. Für sie ist das unglaublich. Sie versuchte mich damals zu überzeugen, diese – ihrer Meinung nach – vorschnelle Entscheidung noch einmal zu überdenken.
Im Gegensatz zu den bereits beschriebenen Epochen spielen die Religion und der Glaube keine tragende Rolle mehr für die meisten Menschen in unserer Gesellschaft, zumindest nicht bewusst. Sie verspüren keinen gesellschaftlichen Druck mehr, einer Religion anzugehören und sie nach den Lehrsätzen auszuüben, die in der jeweiligen religiösen Schrift festgesetzt sind. Höchstwahrscheinlich spielt in dieser Entwicklung auch die Weltpolitik eine große Rolle. Der Staat und die Kirche sind heutzutage strikt getrennt. Jedem Menschen steht es frei, für sich die richtige Religion zu finden und sie auszuüben oder auch nicht.
Die aufkommende Religionskritik der Aufklärung, der die fortgeschrittene Forschung in den Bereichen der Naturwissenschaft zugrunde liegt, hat auch dazu beigetragen, dass viele Menschen nicht mehr glauben wollen oder können, dass es ein übernatürliches Wesen gibt, das die Weltordnung vorgibt und Menschen nach ihren Taten beurteilt.

1.1 Die moderne Gesellschaft und der Sittenkodex

Trotz der steigenden Zahl der Religionskritiker, und damit auch der Atheisten, ist es doch verblüffend, dass vor allem junge Menschen den Papst bei Besuchen verehren und sich seine Hilfe wünschen. Zudem erlangt die Literatur zu „religiöser Erziehung“ einen Aufschwung. Dies ist wohl darauf zurück zu führen, dass in der heutigen Gesellschaft Werte wie Ehre, Ehrlichkeit und Treue immer mehr an Bedeutung verlieren, jedoch Dinge wie Materialismus, Gier und Neid immer häufiger bereits bei Kleinkindern den Lebensstil bestimmen. Und das, obwohl die Moral eines Menschen einem normalerweise schon gebietet, was richtig und was falsch ist. Aber genau diese Werte finden sich auch in den zehn Geboten wieder und werden dort als gut oder böse eingestuft.

2.1 Jesus liebt mich

Der Umgang der Menschen mit der Religion heutzutage wird im Buch „Jesus liebt mich“ von David Safier eindrücklich beschrieben.

2.1.1 Inhalt

Das Buch „Jesus liebt mich“ handelt von einer durchschnittlichen Frau Mitte dreißig namens Marie, die am Beginn der Geschichte gerade mitten in den letzten Hochzeitsvorbereitungen steckt. Als sie den hiesigen Pastor Gabriel darum bittet, die bevorstehende Hochzeit in seiner Kirche veranstalten zu dürfen, wird dem Leser bereits einiges klar: Gabriel hält nicht viel von Marie, vor allem weil Marie nichts von Gott hält.
 
«Du willst also in der Kirche heiraten?», fragte Gabriel.
Nein, im Hühnerstall, hätte ich am liebsten gereizt geantwortet, erwiderte aber in möglichst nettem Tonfall: «Ja, darüber wollte ich mit Ihnen sprechen.»
«Ich habe dazu nur eine Frage, Marie.»
«Und welche?»
«Warum willst du in der Kirche heiraten?»
Die ehrliche Antwort darauf wäre gewesen: Weil es nichts Unromantischeres gibt als eine Hochzeit auf dem Standesamt. Und ich schon als kleines Mädchen von einer kirchlichen Hochzeit in Weiß geträumt habe und es auch jetzt noch tue, obwohl ich vom Kopf her natürlich weiß, dass es nichts Kitschigeres gibt, aber wer interessiert sich bei einer Heirat schon für den Kopf? Doch dies zuzugeben schien mir nicht gerade förderlich für mein Anliegen. Daher stammelte ich mit dem besten Lächeln, das ich nur zaubern konnte:
«Ich … Es ist mir ein tiefes Bedürfnis in der Kirche … vor Gott …»
«Marie, ich sehe dich hier so gut wie nie in den Gottesdiensten», unterbrach mich Gabriel scharf.
«Ich … ich … muss beruflich viel tun.»
«Am siebten Tag sollst du ruhen.»
Ich ruhte am siebten Tag, und auch am sechsten Tag, und manchmal feierte ich sogar krank, um an einem der ersten fünf Tage zu ruhen, aber das war wohl nicht das, was Gabriel
meinte.
«Du hast schon vor zwanzig Jahren in meinem Konfirmandenunterricht
an Gott gezweifelt», mahnte Gabriel.[1]

Trotz der Zweifel, die Pastor Gabriel an Maries Wunsch äußert, willigt er zuletzt doch ein, sie in seiner Kirche zu trauen. Doch Marie erkennt während der Trauzemeronie, dass sie ihren Verlobten nicht genug liebt, um mit ihm ein ganzes Leben verbringen zu können. Sie verlässt ihn vor dem Traualtar und flüchtet, nach einer kurzen und enttäuschenden Unterredung mit ihm, in ihr neues Zuhause, das Haus ihres Vaters. Dort betet sie am nächsten Tag:

Ich faltete meine Hände und betete um ein solches zu Gott: «Lieber Gott, bitte, bitte mach, dass alles wieder gut wird. Irgendwie. Keine Ahnung, wie. Hauptsache, es wird alles wieder gut. Wenn du das tust, dann gehe ich auch jeden Sonntag in die Kirche. Wirklich. Versprochen. Egal, wie langweilig die Predigten sind. Und ich gähne auch nicht und mach mir nie wieder dabei Gedanken über Jesus … Ich meine, ich mach mir schon Gedanken über Jesus, aber nicht solche wie gestern. Und ich spende auch ein Zehntel, oder wie du es nennst, den Zehnten meines Monatseinkommens für gute Zwecke … oder sagen wir doch lieber den Zwanzigsten, sonst komm ich nicht ganz so gut über die Runden. Andererseits, wenn du unbedingt willst, spende ich auch den Fünfzehnten, das würde gehen, und ich könnte mir noch ein Auto leisten … okay, okay, wenn es sein muss, spende ich eben den Zehnten! Hauptsache, ich fühle mich nicht so elend wie jetzt. Das ist mir alles Geld der Welt wert. Wer braucht schon ein Auto? Schadet eh dem Klima. Was hältst du von dem Deal? Ich werde religiös und selbstlos und spare CO2, und du machst, dass es mir wieder gutgeht? Wenn du dafür bist, gib mir ein Zeichen … oder halt, nein, nein, nein! Wir machen das anders: Wenn du dafür bist, dann gibst du mir einfach KEIN Zeichen!» Ich hielt einen Augenblick inne; wenn jetzt kein Zeichen kommen sollte, was ja nicht völlig unwahrscheinlich war und daher, wie ich fand, ein ziemlich cleveres Angebot von mir, würde alles wieder gut werden. Ich könnte glücklich sein, auch wenn ich weniger Geld hätte, mein Auto verlor und den Sonntag in der Kirche verbringen musste.
Ich hoffte so sehr, dass Gott mir kein Zeichen gab.
In diesem Augenblick fiel der vom Regen durchtränkte Putz von der Decke, genau in mein Gesicht. Frustriert stand ich auf, rieb mir das Gesicht und spuckte den staubigen Mörtel aus. Wenn es Gott tatsächlich gab, war das ein Zeichen. Und es bedeutete, er wollte auf meinen
großartigen Deal nicht eingehen.[2]

Nur kurze Zeit später erreicht ein Zimmermann namens Joshua das Haus von Maries Vater, der sich um die Reparatur des Dachstuhls kümmern sollte. Bereits nach der ersten kurzen Begegnung gelingt es Marie nur mehr schwer, den attraktiven Mann aus ihrem Kopf zu bekommen. Als sie sich am Abend desselben Tages zu einem äußert seltsamen gemeinsamen Abendessen treffen, offenbart ihr Joshua, dass er Jesus Christus sei.
In den folgenden Tagen möchte Marie Jesus näher kommen und versucht ihn unauffällig auszufragen:

„Sag mal, Joshua … hast du deine Psalmen in der Heimat auch allein singen müssen?“ Joshua blickte mich erstaunt an und antwortete dann: „Nein, das habe ich nicht.“
„Mit wem hast du sie dann gesungen?“
„Ich hatte Freunde.“
„Männer?“
„Ja, Männer.“
Also doch schwul?, fragte ich mich.
„War auch jemand dabei, den du liebtest?“ Ich ging nun aufs Ganze.
„Ich habe sie alle geliebt.“
Alle?, dachte ich entsetzt bei mir.
„Wie viele Männer waren es denn?“
„Zwölf.“, antwortete Joshua.
Ach, du meine Güte!
„Aber…doch nicht alle gleichzeitig“, kicherte ich verlegen.
„O doch, selbstverständlich.“
O mein Gott!!![3]

In den folgenden Tagen und Wochen kommen sich der mysteriöse Joshua und Marie zwar näher, nachdem sie alle Missverständnisse aus dem Weg geräumt haben, aber Jesus‘ Erscheinen auf der Erde hat auch einen Grund: die Apokalypse steht kurz bevor. Jesus verspricht Marie allerdings diese zu verschieben, wenn sie ihm anhand eines Menschen beweise, dass die Menschen das Potenzial zum Guten hätten und es auch ausschöpfen wollten. Als Marie nachfragt, was denn zu einem gerechten Leben gehöre, kommt sie allerdings in eine Zwickmühle, da sie die Bibel nicht gelesen hat:

„Alles, was du über ein gerechtes Leben wissen musst, habe ich in meiner Bergpredigt verkündet.“
Die Bergpredigt. Auweia! Von der hatte ich natürlich schon mal gehört. Bei Gabriel hatten wir sie im Konfirmandenunterricht druchgenommen, aber ich war vor lauter Liebeskummer die ganze Zeit damit beschäftigt, Zeichnungen auf meinem Block zu kritzeln, in denen mein Exfreund von den zehn Plagen nach allen Regeln der Kunst heimgesucht wurde – besonders gerne ließ ich ihn von den Heuschrecken auffressen. Wenn man mich daher jetzt gefragt hätte, was in der Bergpredigt drinsteht, hätte ich es nicht mal beantworten können, wenn mein Leben davon abhing oder, wie in diesem Fall, die Existenz der Welt.
„Du kennst doch den Inhalt der Bergpredigt?“, fragte Jesus sanft.
Ich grinste debil.
„Du kennst ihn nicht?“
Ich grinste noch debiler.
„Ich dachte, du kennst die Bibel.“, sagte Jesus nun betont streng.
„Frddl.“
Gegenüber Jesus zuzugeben, dass man die Bibel nicht kennt, ist ähnlich unangenehm, wie dem Vater zu beichten, dass man die Pille nimmt, und das schon seit zwei Jahren. Obwohl man erst 16 Jahre alt ist.[4]

Satan sucht sich während den Geschehnissen rund um Marie und Jesus seine apokalyptischen Reiter aus – Krieg, Hunger, Krankheit und Tod.
Der Reiter des Krieges ist Sven, der Mann den Marie am Altar stehen gelassen hat. Er trägt so viel unterdrückten Hass gegen Frauen in sich, dass Satan ihn dafür auserkoren hat, den unterdrückten Hass in jedem Menschen zu entfachen.
Die Rolle des Reiters von Hunger übernimmt der neue Priester von Malente, der sein Leben lang dafür gekämpft hat, einen sportlichen Körperbau zu erlangen, da er in der Schule wegen seines damaligen Umfanges oft gemobbt worden ist.
Der Reiter der Krankheit ist Kata, die Schwester von Marie, die schon seit langem gegen einen Gehirntumor ankämpft und durch diesen jahrelangen Kampf großen Hass gegen Gott entwickelt hat, der solches Unglück auf der Welt zulässt.
Der Reiter des Todes ist der Tod selbst. Er nimmt die Gestalt von Marie an – der Mensch der als erstes dem Jüngsten Gericht zum Opfer fallen wird.

2.1.2 Interpretation

In diesem Werk versucht der Autor zweifellos, den Lesern die Religion auf eine humorvolle und unterhaltende Weise wieder näher zu bringen. Im Mittelpunkt steht jedoch nicht Gott und auch nicht Jesus, sondern der durchschnittliche Mensch Marie. Sie kann durch ihre Taten, die sie aus Liebe tut, das Jüngste Gericht verschieben, Gott von dem Guten im Menschen überzeugen und sogar Jesus dazu bringen, sich in sie zu verlieben.
Im Buch stellen verschiedene Menschen immer wieder die Frage, mit der sich auch das Theodizee beschäftigt: Warum lässt Gott Leid geschehen? Die Antwort darauf ist stets die gleiche, sowohl von Pater Gabriel als auch von Gott selbst: Weil Gott uns den freien Willen gegeben hat.
Bei dem ersten Gespräch, das Marie mit Gott führt, erscheint er ihr in Gestalt von Emma Thompson. Sie trinken Tee und unterhalten sich über Jesus und das Leider auf der Welt:

Außerdem gab es da noch etwas, das ich nicht verstand: „Musste es das Kreuz sein?“
„Wie bitte?“, fragte Emma/Gott überrascht.
„Kreuzigen ist eine so qualvolle Art zu sterben, hätte es nicht auch ein Schlaftrunk getan?“
Jetzt, wo ich Joshua kannte, bewegte mich sein Leiden viel mehr als noch wenige Tage zuvor in der Kirche.
„Macht das ein liebender Vater…eine liebende Mutter?“, fragte ich mit vorwurfsvoller Stimme.
„Nicht ich, sondern die Menschen haben ihn ans Kreuz gebracht“, korrigierte mich Emma/Gott in sanftem Ton.
„Aber warum hast du es zugelassen?“ Ich ließ da jetzt nicht locker.
„Weil ich euch Menschen den freien Willen gegeben habe.“
Da waren wir wieder bei der Frage aller Fragen, die ich mir schon damals mit vierzehn bei meinem ersten Liebeskummer gestellt habe: Warum hat Gott den Menschen den freien Willen gegeben, wenn die damit so unglaublich blöde Dinge anstellen?
„Weil…“, so hob Emma/Gott an – anscheinend hatte sie meine Gedanken gelesen oder zumindest erraten –, „weil ich euch liebe.“
Ich blickte in ihre Augen, sie schien die Wahrheit zu sagen.
„Oder würdest du ohne freien Willen leben wollen, Marie?“
Bei dieser Frage schossen mir Bilder von den Menschen in Nordkorea, von Scientology-Mitgliedern wie Tom Cruise und anderen willenlosen Zombies durch den Kopf.
„Nein…“, antwortete ich.
„Siehst du.“, lächelte Emma/Gott liebevoll.[5]

Die Hauptprotagonistin Marie stellt eine typische Erscheinung in der heutigen Zeit dar: Religion spielt keine tragende Rolle in ihrem Leben. Als sie Jesus trifft und er ihr Fragen zu Gott und der Bibel stellt, wird ihr klar, wie nüchtern und uninteressiert sie solche Dinge betrachtet. Im immer wieder erwähnten Firmunterricht erklärt ihr zwar der Pfarrer Gabriel alle wichtigen Dinge über die christliche Religion, aber sie ist zu sehr mit sich selbst und dem Liebeskummer beschäftigt, der sie damals plagt. Der Firmunterricht steht auch dafür, dass sich viele Jugendliche dafür entscheiden, den christlichen Glauben auszuführen und sich bewusst für eine Firmung entscheiden, obwohl sie eigentlich keinerlei Interesse daran haben.
Der Teufel nimmt gewöhnlich die Gestalt von George Clooney an, wenn er sich unter Sterblichen bewegt. George Clooney ist heute ein Schönheitsidol und ein Traum vieler Frauen. Gerade deshalb verkörpert die Rolle des Teufels Versuchung und Verführung. Dies wird noch deutlicher, als er sich Kata zeigt – der lesbischen und kranken Schwester von Marie. Er will sie als apokalyptischen Reiter der Krankheit gewinnen, da er ihren Hass auf Gott in ihren Comic-Strips wiedererkennt:
Abbildung 7: Comic-Strip aus "Jesus liebt mich"
Da er sie in der Gestalt von George Clooney nicht überzeugen kann, nimmt er daraufhin jene von Alicia Keys an, von der Satan weiß, dass Kata eine Schwäche für sie hat. Er bietet ihr an, den Tumor ein für alle Mal zu entfernen, wenn sie ihn bei der Apokalypse unterstütze. In ihrer Verzweiflung nimmt sie diesen Deal an.
Der Pastor Gabriel ist ursprünglich der Erzengel Gabriel, hat aber sein unsterbliches Leben und seine Flügel aufgegeben, da er sich in eine Sterbliche verliebt hat – Maries Mutter. Als er auf die Erde kommt, um sie für sich zu gewinnen, verliebt sie sich jedoch in einen anderen Mann, nämlich in den zukünftigen Vater Maries‘. Diese Ehe hält jedoch nicht lange stand und sie lassen sich scheiden. Nach vielen Jahren der Sehnsucht und der unerwiderten Liebe geschieht es dann jedoch, dass sich auch Maries Mutter in den Pastor verliebt und sie beginnen eine leidenschaftliche Beziehung. Diese kleine Nebenhandlung sollte verkörpern, dass auch Unsterbliche, den Menschen erhabene Wesen in der Lage sind zu lieben. Diese Liebe hat in diesem Fall sogar dazu geführt, dass Gabriel sein gewohntes Leben und alle damit zusammenhängende Vorteile für diese eine Frau geopfert und aufgegeben hat.
Die Familienverhältnisse von Marie sind nicht einfach: Ihre Mutter ist Therapeutin und versucht sie bei jeder Gelegenheit zu analysieren und in Folge dessen die davongetragenen Schäden der frühen Scheidung zu beheben, für die sie sich schuldig fühlt, scheitert jedoch kläglich. Maries Vater hat im Internet (www.amore-osteuropa.com) eine weißrussische junge Frau kennen gelernt, sie einmal persönlich getroffen und sich sofort in sie verliebt. Zur Krönung dieses Dilemmas verkündet ihr Vater sie auch mit zur Hochzeit zu nehmen – womit Marie überhaupt nicht einverstanden ist. Sie ist überzeugt davon, dass diese 25-jährige Frau entweder nur auf das Geld ihres Vaters oder die deutsche Staatsbürgerschaft aus ist. Der Gegensatz zwischen den sich häufenden privaten Problemen und der Tatsache, dass sie als einziger Mensch Einfluss auf das Schicksal der Welt ausüben kann, verdeutlicht, dass vor Gott jeder Mensch gleich ist. Jeder Reichtum, jedes Ansehen und alle Besitztümer der Welt bedeuten nichts vor dem Antlitz Gottes. Er wählt keinen besonderen Menschen nach vergänglichen Merkmalen aus, sondern nach der Stärke, die jedem von uns innewohnt, der Liebe, die wir anderen Menschen geben und den Beweggründen unserer Taten.
Mit Witz, Charme und einer Hauptprotagonistin, mit der sich viele Menschen identifizieren können, schafft es David Safier die Leser zum Nachdenken anzuregen: Was mache ich in meinem Leben falsch? Wie werde ich glücklich? Kann Gott mir helfen? Und schließlich: Sollte ich der Religion und Gott mehr Bedeutung in meinem Leben beimessen?


2.3 Gott bewahre


2.3.1 Inhalt

Der Autor John Niven hat das Buch in sechs Teile unterteilt. Die ersten Kapitel finden im Himmel statt. Gott kehrt von seinem einwöchigen  Urlaub zurück und stellt entsetzt fest, dass sich die Erde samt Menschen in den letzten 400 Jahren vollkommen verändert hat, obwohl er nur kurz weg war. Denn ein Tag im Himmel entspricht 57 Jahren auf der Erde. Umweltverschmutzungen, falsche Interpretationen der Bibel und Fundamentalisten drohen die Erde zu zerstören.
Sofort wendet sich Gott an seinen Sohn Jesus, der vorübergehend die Stellung halten sollte. Doch dieser relaxt gemütlich mit seinen Freunden, Musik und Joints. Nach Besprechungen mit Petrus, Satan und Mohammed entscheidet Gott, dass Jesus zur Erde zurückkehren muss, um die Menschen zu führen und das einzig wahre Gebot „Seid lieb“ zu verbreiten.

Auf der Erde in New York City angekommen, unterstützt Jesus Obdachlose, Drogenabhängige, Homosexuelle, aber auch AIDS-kranke Menschen.  Schlichtweg Menschen, die von der Gesellschaft ausgeschlossen werden. Auf Drängen seiner Freunde hin, bewirbt sich Jesus bei Amerikas bekanntester Castingshow und versucht im Fernsehen die Menschen von seiner These „Seid lieb“ zu überzeugen. Ihm gelingt es ganz Amerika zu begeistern und Jesus verdient mit Interviews und Werbung  haufenweise Geld.

Nach der Show erbauen er und seine „Jünger“ ein großes Lager in Mexiko und über 100 Menschen schließen sich ihm an. Jedoch hat sich Jesus unbewusst viele Feinde gemacht, wie beispielsweise Pastoren und die FBI, da diese glauben, Jesus und seine Anhänger handeln mit Drogen und missbrauchen Kinder. Die FBI greift das Lager an und viele Menschen werden bei einer Schießerei getötet. Jesus wird verhaftet und kommt ins Gefängnis. Sein Urteil: Vollstreckung.

Als Jesus nach seinem Tod abermals im Himmel ankommt, ist sein Vater trotz allem sehr stolz auf ihn. Denn viele Menschen folgen nun dem Gebot „Seid lieb“ und gehen netter miteinander um.

2.3.2 Interpretation


Der Roman beschreibt die zweite Reise von Jesus auf die Erde sehr humorvoll, aber auch skandalös. Denn Jesus raucht Joints, liebt Schwule und unterstützt Drogenabhängige. Gott und seine Anhänger werden im Buch ganz anders dargestellt, als wir Christen uns das jemals vorgestellt haben.
Der Autor hält der Menschheit einen Spiegel vor  und zeigt moralische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Probleme offen auf. Dazu zählt beispielsweise die Diskriminierung verschiedenster Bevölkerungsgruppen, obwohl jeder Mensch gleich ist und die gleichen Rechte besitzt. Des Weiteren wird die Zerstörung unsere Erde angesprochen.  Zigtausende Quadratkilometer Regenwald werden abgeholzt, riesige Müllmassen schwimmen im Pazifik, der Mensch tötet wilde Tiere, um mit diesen Profit zu schlagen. Diese Aufzählung lässt sich noch lange weiter führen, da der Mensch sich heutzutage einfach alles nimmt, was er will, ohne auf weitere Generationen zu achten. Und warum? Natürlich des Geldes wegen, da Geld die Welt regiert. Außerdem zeigt der Autor die Konsumsucht von Menschen auf. Immer mehr Güter kommen auf den Markt und die Leute werden mit Werbung und unnützen Artikeln regelrecht überschüttet.

Deshalb fühlt sich so gut wie jeder Leser angesprochen, denn wir alle zerstören gemeinsam unsere Erde. Aber vor allem Schwulenhasser, korrupte Politiker und geldgierige Unternehmer werden verurteilt. Dem Leser wird deutlich gemacht, dass wir Menschen versuchen sollten, weniger auf sachliche Dinge Wert zu legen, sondern vielmehr auf das Miteinander.

Doch auch der religiöse Wert kommt in diesem Werk auf keinen Fall zu kurz. Denn Gott ist es laut dem Buch viel wichtiger, nett miteinander umzugehen, als ihn stundenlang anzubeten. Außerdem ist es falsch, sich gegenseitig wegen des Glaubens umzubringen oder Kriege zu führen. Denn jedem steht es selbst zu, an wen oder an was er glaubt. Zudem wird auch der Papst als sehr negativ beschrieben, wie folgendes Textbeispiel zeigt:

„Und ein anderer, ebenfalls nicht unbedeutender Haufen betet einen Clown in Rom an, der allen Ernstes beigetragen hat, Kindesmissbrauch zu vertuschen. Er sitzt im Vatikan. Scheiße, er sollte im Gefängnis sitzen. [6]

Des Öfteren wird der Papst vom Autor ins Visier genommen und angeklagt. Der Grund dafür: in den letzten Jahren hat sich oftmals Misstrauen gegenüber der Kirche in den Menschen breitgemacht. Die Medien berichten von mutmaßlichem Missbrauch von Kindern, aber auch von versteckten Vermögen durch Bischöfen. Diese Berichte tragen dazu bei, dass christlichen Ideen immer weniger Beachtung geschenkt wird. Das bestätigt auch eine österreichische Umfrage, laut dieser beispielweise nur 30% glauben, dass Jesus von den Toten auferstanden ist.
Des Weiteren darf im Buch jeder Mensch Frau und Familie haben, auch Jesus selbst, denn auf Keuschheit und Sex erst nach der Ehe wird im Buch nicht sehr viel Wert gelegt. Wer in unserer Kultur heutzutage keusch lebt, gilt als altmodisch. Doch in anderen Kulturen ist Keuschheit immer noch ein großes Thema und vor allem Frauen halten sich daran, um Reinheit und Unversehrtheit zu vermitteln. 

Der Autor möchte den Lesern klar vermitteln, dass in der heutigen Zeit vor allem die Liebe zueinander im Fokus steht. Jeder Mensch sollte frei entscheiden an wen er glaubt, ohne Druck von außen.
John Niven versucht zweifelsohne mit dem Buch zu schockieren und das gelingt ihm eindeutig. Jedoch ist das Buch sicherlich nicht für jedermann geschaffen. Der Leser sollte nicht alles wortwörtlich oder zu ernst nehmen.

Die Probleme unserer heutigen Gesellschaft werden auf einer realistischen Ebene angesprochen und der Autor nimmt kein Blatt vor den Mund, sondern spricht Klartext. Meiner Meinung nach, steht der Humor an allererster Stelle und zudem unsere Welt und Religion aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Konservativen Menschen ist das Buch auf keinen Fall zu empfehlen, viel mehr jungen Menschen, die Lust auf Neues haben.
Das Buch wird von witzigen, aber auch tiefgründigen Zitaten begleitet, die den Leser dazu bringen, genauer darüber nachzudenken.
Abschießend möchte ich einige dieser nennen:

„Alle Seelen müssen weinen, wenn sie in kleinen Babys erwachen und feststellen, dass sie weit weg vom Himmel sind. Literatur. Das war schon eine verdammt feine Sache. Dafür war Er ihnen wirklich dankbar.“

„Glaubt ihr etwa, dass Jesus, wenn er wiederkommt, noch jemals ein beschissenes Kreuz sehen will? Das wäre ja, als würde man Jacqueline Kennedy da oben besuchen und einen Anhänger in Form eines Scharfschützengewehres um den Hals tragen…“

„Wir wissen nicht, was sie im Himmel machen. Aber was sie nicht machen, wird uns ausdrücklich gesagt.“[7]




[1] Jesus liebt mich, David Safier, Rowohlt Digitalbuch, Position 15 bis 34
[2] Jesus liebt mich, David Safier, Rowohlt Digitalbuch, Position 527 - 541
[3] Jesus liebt mich, David Safier, Rowohlt Digitalbuch, Position 1181-1192
[4] Jesus liebt mich, David Safier, Rowohlt Digitalbuch, Position 2709 - 2720
[5] Jesus liebt mich, David Safier, Rowohlt Digitalbuch, Position 3134 - 3145
[6] Gott bewahre, John Niven, Taschenbuch, Ausgabe 12/1012
[7] Gott bewahre, John Niven, Taschenbuch, Ausgabe 12/2012

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