2 Religion heute
Sehen
wir uns doch einmal in unserem näheren Umfeld um. Ich bin nun 18 Jahre alt und
ich muss mir ehrlich eingestehen, in die Kirche gehe ich allerhöchstens zu
Weihnachten, bei Hochzeiten oder bei Begräbnissen. Ich kenne niemanden, der
freiwillig öfter die Messe besucht.
Mit
16 Jahren habe ich meiner Mutter gesagt, dass ich mit 18 aus der Kirche
austreten will. Für sie ist das unglaublich. Sie versuchte mich damals zu
überzeugen, diese – ihrer Meinung nach – vorschnelle Entscheidung noch einmal
zu überdenken.
Im
Gegensatz zu den bereits beschriebenen Epochen spielen die Religion und der
Glaube keine tragende Rolle mehr für die meisten Menschen in unserer
Gesellschaft, zumindest nicht bewusst. Sie verspüren keinen gesellschaftlichen
Druck mehr, einer Religion anzugehören und sie nach den Lehrsätzen auszuüben,
die in der jeweiligen religiösen Schrift festgesetzt sind. Höchstwahrscheinlich
spielt in dieser Entwicklung auch die Weltpolitik eine große Rolle. Der Staat
und die Kirche sind heutzutage strikt getrennt. Jedem Menschen steht es frei,
für sich die richtige Religion zu finden und sie auszuüben oder auch nicht.
Die
aufkommende Religionskritik der Aufklärung, der die fortgeschrittene Forschung
in den Bereichen der Naturwissenschaft zugrunde liegt, hat auch dazu
beigetragen, dass viele Menschen nicht mehr glauben wollen oder können, dass es
ein übernatürliches Wesen gibt, das die Weltordnung vorgibt und Menschen nach
ihren Taten beurteilt.
1.1 Die moderne Gesellschaft und der Sittenkodex
Trotz der steigenden Zahl der Religionskritiker, und damit
auch der Atheisten, ist es doch verblüffend, dass vor allem junge Menschen den
Papst bei Besuchen verehren und sich seine Hilfe wünschen. Zudem erlangt die
Literatur zu „religiöser Erziehung“ einen Aufschwung. Dies ist wohl darauf
zurück zu führen, dass in der heutigen Gesellschaft Werte wie Ehre, Ehrlichkeit
und Treue immer mehr an Bedeutung verlieren, jedoch Dinge wie Materialismus,
Gier und Neid immer häufiger bereits bei Kleinkindern den Lebensstil bestimmen.
Und das, obwohl die Moral eines Menschen einem normalerweise schon gebietet,
was richtig und was falsch ist. Aber genau diese Werte finden sich auch in den
zehn Geboten wieder und werden dort als gut oder böse eingestuft.
2.1 Jesus liebt mich
Der Umgang der
Menschen mit der Religion heutzutage wird im Buch „Jesus liebt mich“ von David Safier eindrücklich beschrieben.
2.1.1 Inhalt
«Du willst also in der Kirche
heiraten?», fragte Gabriel.
Nein, im Hühnerstall, hätte ich
am liebsten gereizt geantwortet, erwiderte aber in möglichst nettem Tonfall:
«Ja, darüber wollte ich mit Ihnen sprechen.»
«Ich habe dazu nur eine Frage,
Marie.»
«Und welche?»
«Warum willst du in der Kirche
heiraten?»
Die ehrliche Antwort darauf
wäre gewesen: Weil es nichts Unromantischeres gibt als eine Hochzeit auf dem
Standesamt. Und ich schon als kleines Mädchen von einer kirchlichen Hochzeit in
Weiß geträumt habe und es auch jetzt noch tue, obwohl ich vom Kopf her
natürlich weiß, dass es nichts Kitschigeres gibt, aber wer interessiert sich
bei einer Heirat schon für den Kopf? Doch dies zuzugeben schien mir nicht
gerade förderlich für mein Anliegen. Daher stammelte ich mit dem besten
Lächeln, das ich nur zaubern konnte:
«Ich … Es ist mir ein tiefes Bedürfnis in der Kirche … vor Gott …»
«Ich … Es ist mir ein tiefes Bedürfnis in der Kirche … vor Gott …»
«Marie, ich sehe dich hier so
gut wie nie in den Gottesdiensten», unterbrach mich Gabriel scharf.
«Ich … ich … muss beruflich
viel tun.»
«Am siebten Tag sollst du
ruhen.»
Ich ruhte am siebten Tag, und
auch am sechsten Tag, und manchmal feierte ich sogar krank, um an einem der
ersten fünf Tage zu ruhen, aber das war wohl nicht das, was Gabriel
meinte.
«Du hast schon vor zwanzig
Jahren in meinem Konfirmandenunterricht
an Gott gezweifelt», mahnte Gabriel.[1]
Trotz
der Zweifel, die Pastor Gabriel an Maries Wunsch äußert, willigt er zuletzt
doch ein, sie in seiner Kirche zu trauen. Doch Marie erkennt während der
Trauzemeronie, dass sie ihren Verlobten nicht genug liebt, um mit ihm ein
ganzes Leben verbringen zu können. Sie verlässt ihn vor dem Traualtar und
flüchtet, nach einer kurzen und enttäuschenden Unterredung mit ihm, in ihr
neues Zuhause, das Haus ihres Vaters. Dort betet sie am nächsten Tag:
Ich
faltete meine Hände und betete um ein solches zu Gott: «Lieber Gott, bitte,
bitte mach, dass alles wieder gut wird. Irgendwie. Keine Ahnung, wie.
Hauptsache, es wird alles wieder gut. Wenn du das tust, dann gehe ich auch
jeden Sonntag in die Kirche. Wirklich. Versprochen. Egal, wie langweilig die
Predigten sind. Und ich gähne auch nicht und mach mir nie wieder dabei Gedanken
über Jesus … Ich meine, ich mach mir schon Gedanken über Jesus, aber nicht
solche wie gestern. Und ich spende auch ein Zehntel, oder wie du es nennst, den
Zehnten meines Monatseinkommens für gute Zwecke … oder sagen wir doch lieber
den Zwanzigsten, sonst komm ich nicht ganz so gut über die Runden.
Andererseits, wenn du unbedingt willst, spende ich auch den Fünfzehnten, das
würde gehen, und ich könnte mir noch ein Auto leisten … okay, okay, wenn es
sein muss, spende ich eben den Zehnten! Hauptsache, ich fühle mich nicht so
elend wie jetzt. Das ist mir alles Geld der Welt wert. Wer braucht schon ein
Auto? Schadet eh dem Klima. Was hältst du von dem Deal? Ich werde religiös und
selbstlos und spare CO2, und du machst, dass es mir wieder gutgeht? Wenn du
dafür bist, gib mir ein Zeichen … oder halt, nein, nein, nein! Wir machen das
anders: Wenn du dafür bist, dann gibst du mir einfach KEIN Zeichen!» Ich hielt
einen Augenblick inne; wenn jetzt kein Zeichen kommen sollte, was ja nicht
völlig unwahrscheinlich war und daher, wie ich fand, ein ziemlich cleveres
Angebot von mir, würde alles wieder gut werden. Ich könnte glücklich sein, auch
wenn ich weniger Geld hätte, mein Auto verlor und den Sonntag in der Kirche
verbringen musste.
Ich
hoffte so sehr, dass Gott mir kein Zeichen gab.
In
diesem Augenblick fiel der vom Regen durchtränkte Putz von der Decke, genau in
mein Gesicht. Frustriert stand ich auf, rieb mir das Gesicht und spuckte den
staubigen Mörtel aus. Wenn es Gott tatsächlich gab, war das ein Zeichen. Und es
bedeutete, er wollte auf meinen
großartigen Deal
nicht eingehen.[2]
Nur
kurze Zeit später erreicht ein Zimmermann namens Joshua das Haus von Maries
Vater, der sich um die Reparatur des Dachstuhls kümmern sollte. Bereits nach
der ersten kurzen Begegnung gelingt es Marie nur mehr schwer, den attraktiven
Mann aus ihrem Kopf zu bekommen. Als sie sich am Abend desselben Tages zu einem
äußert seltsamen gemeinsamen Abendessen treffen, offenbart ihr Joshua, dass er
Jesus Christus sei.
In
den folgenden Tagen möchte Marie Jesus näher kommen und versucht ihn unauffällig
auszufragen:
„Sag mal, Joshua … hast du
deine Psalmen in der Heimat auch allein singen müssen?“ Joshua blickte mich
erstaunt an und antwortete dann: „Nein, das habe ich nicht.“
„Mit wem hast du sie dann gesungen?“
„Ich hatte Freunde.“
„Männer?“
„Ja, Männer.“
Also doch schwul?, fragte ich mich.
„War auch jemand dabei, den du liebtest?“ Ich ging nun aufs Ganze.
„Ich habe sie alle geliebt.“
Alle?, dachte ich entsetzt bei mir.
„Wie viele Männer waren es denn?“
„Zwölf.“, antwortete Joshua.
Ach, du meine Güte!
„Aber…doch nicht alle gleichzeitig“, kicherte ich verlegen.
„O doch, selbstverständlich.“
O mein Gott!!![3]
„Mit wem hast du sie dann gesungen?“
„Ich hatte Freunde.“
„Männer?“
„Ja, Männer.“
Also doch schwul?, fragte ich mich.
„War auch jemand dabei, den du liebtest?“ Ich ging nun aufs Ganze.
„Ich habe sie alle geliebt.“
Alle?, dachte ich entsetzt bei mir.
„Wie viele Männer waren es denn?“
„Zwölf.“, antwortete Joshua.
Ach, du meine Güte!
„Aber…doch nicht alle gleichzeitig“, kicherte ich verlegen.
„O doch, selbstverständlich.“
O mein Gott!!![3]
In
den folgenden Tagen und Wochen kommen sich der mysteriöse Joshua und Marie zwar
näher, nachdem sie alle Missverständnisse aus dem Weg geräumt haben, aber
Jesus‘ Erscheinen auf der Erde hat auch einen Grund: die Apokalypse steht kurz
bevor. Jesus verspricht Marie allerdings diese zu verschieben, wenn sie ihm
anhand eines Menschen beweise, dass die Menschen das Potenzial zum Guten hätten
und es auch ausschöpfen wollten. Als Marie nachfragt, was denn zu einem
gerechten Leben gehöre, kommt sie allerdings in eine Zwickmühle, da sie die
Bibel nicht gelesen hat:
„Alles, was du über ein
gerechtes Leben wissen musst, habe ich in meiner Bergpredigt verkündet.“
Die Bergpredigt. Auweia! Von der hatte ich natürlich schon mal gehört. Bei Gabriel hatten wir sie im Konfirmandenunterricht druchgenommen, aber ich war vor lauter Liebeskummer die ganze Zeit damit beschäftigt, Zeichnungen auf meinem Block zu kritzeln, in denen mein Exfreund von den zehn Plagen nach allen Regeln der Kunst heimgesucht wurde – besonders gerne ließ ich ihn von den Heuschrecken auffressen. Wenn man mich daher jetzt gefragt hätte, was in der Bergpredigt drinsteht, hätte ich es nicht mal beantworten können, wenn mein Leben davon abhing oder, wie in diesem Fall, die Existenz der Welt.
„Du kennst doch den Inhalt der Bergpredigt?“, fragte Jesus sanft.
Ich grinste debil.
„Du kennst ihn nicht?“
Ich grinste noch debiler.
„Ich dachte, du kennst die Bibel.“, sagte Jesus nun betont streng.
„Frddl.“
Gegenüber Jesus zuzugeben, dass man die Bibel nicht kennt, ist ähnlich unangenehm, wie dem Vater zu beichten, dass man die Pille nimmt, und das schon seit zwei Jahren. Obwohl man erst 16 Jahre alt ist.[4]
Die Bergpredigt. Auweia! Von der hatte ich natürlich schon mal gehört. Bei Gabriel hatten wir sie im Konfirmandenunterricht druchgenommen, aber ich war vor lauter Liebeskummer die ganze Zeit damit beschäftigt, Zeichnungen auf meinem Block zu kritzeln, in denen mein Exfreund von den zehn Plagen nach allen Regeln der Kunst heimgesucht wurde – besonders gerne ließ ich ihn von den Heuschrecken auffressen. Wenn man mich daher jetzt gefragt hätte, was in der Bergpredigt drinsteht, hätte ich es nicht mal beantworten können, wenn mein Leben davon abhing oder, wie in diesem Fall, die Existenz der Welt.
„Du kennst doch den Inhalt der Bergpredigt?“, fragte Jesus sanft.
Ich grinste debil.
„Du kennst ihn nicht?“
Ich grinste noch debiler.
„Ich dachte, du kennst die Bibel.“, sagte Jesus nun betont streng.
„Frddl.“
Gegenüber Jesus zuzugeben, dass man die Bibel nicht kennt, ist ähnlich unangenehm, wie dem Vater zu beichten, dass man die Pille nimmt, und das schon seit zwei Jahren. Obwohl man erst 16 Jahre alt ist.[4]
Satan
sucht sich während den Geschehnissen rund um Marie und Jesus seine
apokalyptischen Reiter aus – Krieg, Hunger, Krankheit und Tod.
Der
Reiter des Krieges ist Sven, der Mann den Marie am Altar stehen gelassen hat.
Er trägt so viel unterdrückten Hass gegen Frauen in sich, dass Satan ihn dafür
auserkoren hat, den unterdrückten Hass in jedem Menschen zu entfachen.
Die
Rolle des Reiters von Hunger übernimmt der neue Priester von Malente, der sein
Leben lang dafür gekämpft hat, einen sportlichen Körperbau zu erlangen, da er
in der Schule wegen seines damaligen Umfanges oft gemobbt worden ist.
Der
Reiter der Krankheit ist Kata, die Schwester von Marie, die schon seit langem
gegen einen Gehirntumor ankämpft und durch diesen jahrelangen Kampf großen Hass
gegen Gott entwickelt hat, der solches Unglück auf der Welt zulässt.
Der
Reiter des Todes ist der Tod selbst. Er nimmt die Gestalt von Marie an – der
Mensch der als erstes dem Jüngsten Gericht zum Opfer fallen wird.
In
diesem Werk versucht der Autor zweifellos, den Lesern die Religion auf eine
humorvolle und unterhaltende Weise wieder näher zu bringen. Im Mittelpunkt
steht jedoch nicht Gott und auch nicht Jesus, sondern der durchschnittliche
Mensch Marie. Sie kann durch ihre Taten, die sie aus Liebe tut, das Jüngste
Gericht verschieben, Gott von dem Guten im Menschen überzeugen und sogar Jesus
dazu bringen, sich in sie zu verlieben.
Im
Buch stellen verschiedene Menschen immer wieder die Frage, mit der sich auch
das Theodizee beschäftigt: Warum lässt Gott Leid geschehen? Die Antwort darauf
ist stets die gleiche, sowohl von Pater Gabriel als auch von Gott selbst: Weil
Gott uns den freien Willen gegeben hat.
Bei
dem ersten Gespräch, das Marie mit Gott führt, erscheint er ihr in Gestalt von
Emma Thompson. Sie trinken Tee und unterhalten sich über Jesus und das Leider
auf der Welt:
Außerdem gab es da noch etwas,
das ich nicht verstand: „Musste es das Kreuz sein?“
„Wie bitte?“, fragte Emma/Gott überrascht.
„Kreuzigen ist eine so qualvolle Art zu sterben, hätte es nicht auch ein Schlaftrunk getan?“
Jetzt, wo ich Joshua kannte, bewegte mich sein Leiden viel mehr als noch wenige Tage zuvor in der Kirche.
„Macht das ein liebender Vater…eine liebende Mutter?“, fragte ich mit vorwurfsvoller Stimme.
„Nicht ich, sondern die Menschen haben ihn ans Kreuz gebracht“, korrigierte mich Emma/Gott in sanftem Ton.
„Aber warum hast du es zugelassen?“ Ich ließ da jetzt nicht locker.
„Weil ich euch Menschen den freien Willen gegeben habe.“
Da waren wir wieder bei der Frage aller Fragen, die ich mir schon damals mit vierzehn bei meinem ersten Liebeskummer gestellt habe: Warum hat Gott den Menschen den freien Willen gegeben, wenn die damit so unglaublich blöde Dinge anstellen?
„Weil…“, so hob Emma/Gott an – anscheinend hatte sie meine Gedanken gelesen oder zumindest erraten –, „weil ich euch liebe.“
Ich blickte in ihre Augen, sie schien die Wahrheit zu sagen.
„Oder würdest du ohne freien Willen leben wollen, Marie?“
Bei dieser Frage schossen mir Bilder von den Menschen in Nordkorea, von Scientology-Mitgliedern wie Tom Cruise und anderen willenlosen Zombies durch den Kopf.
„Nein…“, antwortete ich.
„Siehst du.“, lächelte Emma/Gott liebevoll.[5]
„Wie bitte?“, fragte Emma/Gott überrascht.
„Kreuzigen ist eine so qualvolle Art zu sterben, hätte es nicht auch ein Schlaftrunk getan?“
Jetzt, wo ich Joshua kannte, bewegte mich sein Leiden viel mehr als noch wenige Tage zuvor in der Kirche.
„Macht das ein liebender Vater…eine liebende Mutter?“, fragte ich mit vorwurfsvoller Stimme.
„Nicht ich, sondern die Menschen haben ihn ans Kreuz gebracht“, korrigierte mich Emma/Gott in sanftem Ton.
„Aber warum hast du es zugelassen?“ Ich ließ da jetzt nicht locker.
„Weil ich euch Menschen den freien Willen gegeben habe.“
Da waren wir wieder bei der Frage aller Fragen, die ich mir schon damals mit vierzehn bei meinem ersten Liebeskummer gestellt habe: Warum hat Gott den Menschen den freien Willen gegeben, wenn die damit so unglaublich blöde Dinge anstellen?
„Weil…“, so hob Emma/Gott an – anscheinend hatte sie meine Gedanken gelesen oder zumindest erraten –, „weil ich euch liebe.“
Ich blickte in ihre Augen, sie schien die Wahrheit zu sagen.
„Oder würdest du ohne freien Willen leben wollen, Marie?“
Bei dieser Frage schossen mir Bilder von den Menschen in Nordkorea, von Scientology-Mitgliedern wie Tom Cruise und anderen willenlosen Zombies durch den Kopf.
„Nein…“, antwortete ich.
„Siehst du.“, lächelte Emma/Gott liebevoll.[5]
Die
Hauptprotagonistin Marie stellt eine typische Erscheinung in der heutigen Zeit
dar: Religion spielt keine tragende Rolle in ihrem Leben. Als sie Jesus trifft
und er ihr Fragen zu Gott und der Bibel stellt, wird ihr klar, wie nüchtern und
uninteressiert sie solche Dinge betrachtet. Im immer wieder erwähnten
Firmunterricht erklärt ihr zwar der Pfarrer Gabriel alle wichtigen Dinge über
die christliche Religion, aber sie ist zu sehr mit sich selbst und dem
Liebeskummer beschäftigt, der sie damals plagt. Der Firmunterricht steht auch
dafür, dass sich viele Jugendliche dafür entscheiden, den christlichen Glauben
auszuführen und sich bewusst für eine Firmung entscheiden, obwohl sie
eigentlich keinerlei Interesse daran haben.
Der
Teufel nimmt gewöhnlich die Gestalt von George Clooney an, wenn er sich unter
Sterblichen bewegt. George Clooney ist heute ein Schönheitsidol und ein Traum
vieler Frauen. Gerade deshalb verkörpert die Rolle des Teufels Versuchung und
Verführung. Dies wird noch deutlicher, als er sich Kata zeigt – der lesbischen
und kranken Schwester von Marie. Er will sie als apokalyptischen Reiter der
Krankheit gewinnen, da er ihren Hass auf Gott in ihren Comic-Strips
wiedererkennt:
Abbildung 7: Comic-Strip aus "Jesus liebt mich"
Da
er sie in der Gestalt von George Clooney nicht überzeugen kann, nimmt er
daraufhin jene von Alicia Keys an, von der Satan weiß, dass Kata eine Schwäche
für sie hat. Er bietet ihr an, den Tumor ein für alle Mal zu entfernen, wenn
sie ihn bei der Apokalypse unterstütze. In ihrer Verzweiflung nimmt sie diesen
Deal an.
Der
Pastor Gabriel ist ursprünglich der Erzengel Gabriel, hat aber sein
unsterbliches Leben und seine Flügel aufgegeben, da er sich in eine Sterbliche
verliebt hat – Maries Mutter. Als er auf die Erde kommt, um sie für sich zu
gewinnen, verliebt sie sich jedoch in einen anderen Mann, nämlich in den
zukünftigen Vater Maries‘. Diese Ehe hält jedoch nicht lange stand und sie
lassen sich scheiden. Nach vielen Jahren der Sehnsucht und der unerwiderten
Liebe geschieht es dann jedoch, dass sich auch Maries Mutter in den Pastor
verliebt und sie beginnen eine leidenschaftliche Beziehung. Diese kleine
Nebenhandlung sollte verkörpern, dass auch Unsterbliche, den Menschen erhabene
Wesen in der Lage sind zu lieben. Diese Liebe hat in diesem Fall sogar dazu
geführt, dass Gabriel sein gewohntes Leben und alle damit zusammenhängende
Vorteile für diese eine Frau geopfert und aufgegeben hat.
Die
Familienverhältnisse von Marie sind nicht einfach: Ihre Mutter ist Therapeutin
und versucht sie bei jeder Gelegenheit zu analysieren und in Folge dessen die
davongetragenen Schäden der frühen Scheidung zu beheben, für die sie sich
schuldig fühlt, scheitert jedoch kläglich. Maries Vater hat im Internet (www.amore-osteuropa.com) eine weißrussische junge Frau kennen gelernt, sie
einmal persönlich getroffen und sich sofort in sie verliebt. Zur Krönung dieses
Dilemmas verkündet ihr Vater sie auch mit zur Hochzeit zu nehmen – womit Marie
überhaupt nicht einverstanden ist. Sie ist überzeugt davon, dass diese
25-jährige Frau entweder nur auf das Geld ihres Vaters oder die deutsche
Staatsbürgerschaft aus ist. Der Gegensatz zwischen den sich häufenden privaten
Problemen und der Tatsache, dass sie als einziger Mensch Einfluss auf das
Schicksal der Welt ausüben kann, verdeutlicht, dass vor Gott jeder Mensch
gleich ist. Jeder Reichtum, jedes Ansehen und alle Besitztümer der Welt
bedeuten nichts vor dem Antlitz Gottes. Er wählt keinen besonderen Menschen
nach vergänglichen Merkmalen aus, sondern nach der Stärke, die jedem von uns
innewohnt, der Liebe, die wir anderen Menschen geben und den Beweggründen
unserer Taten.
Mit
Witz, Charme und einer Hauptprotagonistin, mit der sich viele Menschen
identifizieren können, schafft es David Safier die Leser zum Nachdenken
anzuregen: Was mache ich in meinem Leben falsch? Wie werde ich glücklich? Kann
Gott mir helfen? Und schließlich: Sollte ich der Religion und Gott mehr
Bedeutung in meinem Leben beimessen?
2.3 Gott bewahre
|
Der Autor John Niven hat das Buch in sechs Teile unterteilt.
Die ersten Kapitel finden im Himmel statt. Gott kehrt von seinem
einwöchigen Urlaub zurück und stellt
entsetzt fest, dass sich die Erde samt Menschen in den letzten 400 Jahren
vollkommen verändert hat, obwohl er nur kurz weg war. Denn ein Tag im Himmel
entspricht 57 Jahren auf der Erde. Umweltverschmutzungen, falsche
Interpretationen der Bibel und Fundamentalisten drohen die Erde zu zerstören.
Sofort wendet sich Gott an seinen Sohn Jesus, der vorübergehend
die Stellung halten sollte. Doch dieser relaxt gemütlich mit seinen Freunden,
Musik und Joints. Nach Besprechungen mit Petrus, Satan und Mohammed entscheidet
Gott, dass Jesus zur Erde zurückkehren muss, um die Menschen zu führen und das
einzig wahre Gebot „Seid lieb“ zu verbreiten.
Auf der Erde in New York City angekommen, unterstützt Jesus
Obdachlose, Drogenabhängige, Homosexuelle, aber auch AIDS-kranke Menschen. Schlichtweg Menschen, die von der
Gesellschaft ausgeschlossen werden. Auf Drängen seiner Freunde hin, bewirbt
sich Jesus bei Amerikas bekanntester Castingshow und versucht im Fernsehen die
Menschen von seiner These „Seid lieb“ zu überzeugen. Ihm gelingt es ganz
Amerika zu begeistern und Jesus verdient mit Interviews und Werbung haufenweise Geld.
Nach der Show erbauen er und seine „Jünger“ ein großes Lager
in Mexiko und über 100 Menschen schließen sich ihm an. Jedoch hat sich Jesus
unbewusst viele Feinde gemacht, wie beispielsweise Pastoren und die FBI, da
diese glauben, Jesus und seine Anhänger handeln mit Drogen und missbrauchen
Kinder. Die FBI greift das Lager an und viele Menschen werden bei einer
Schießerei getötet. Jesus wird verhaftet und kommt ins Gefängnis. Sein Urteil:
Vollstreckung.
Als Jesus nach seinem Tod abermals im Himmel ankommt, ist
sein Vater trotz allem sehr stolz auf ihn. Denn viele Menschen folgen nun dem
Gebot „Seid lieb“ und gehen netter miteinander um.
2.3.2 Interpretation
|
Der Autor hält der Menschheit einen Spiegel vor und zeigt moralische, gesellschaftliche und
wirtschaftliche Probleme offen auf. Dazu zählt beispielsweise die
Diskriminierung verschiedenster Bevölkerungsgruppen, obwohl jeder Mensch gleich
ist und die gleichen Rechte besitzt. Des Weiteren wird die Zerstörung unsere
Erde angesprochen. Zigtausende
Quadratkilometer Regenwald werden abgeholzt, riesige Müllmassen schwimmen im
Pazifik, der Mensch tötet wilde Tiere, um mit diesen Profit zu schlagen. Diese
Aufzählung lässt sich noch lange weiter führen, da der Mensch sich heutzutage
einfach alles nimmt, was er will, ohne auf weitere Generationen zu achten. Und
warum? Natürlich des Geldes wegen, da Geld die Welt regiert. Außerdem zeigt der
Autor die Konsumsucht von Menschen auf. Immer mehr Güter kommen auf den Markt
und die Leute werden mit Werbung und unnützen Artikeln regelrecht überschüttet.
Deshalb fühlt sich so gut wie jeder Leser angesprochen, denn
wir alle zerstören gemeinsam unsere Erde. Aber vor allem Schwulenhasser,
korrupte Politiker und geldgierige Unternehmer werden verurteilt. Dem Leser
wird deutlich gemacht, dass wir Menschen versuchen sollten, weniger auf
sachliche Dinge Wert zu legen, sondern vielmehr auf das Miteinander.
Doch auch der religiöse Wert kommt in diesem Werk auf keinen
Fall zu kurz. Denn Gott ist es laut dem Buch viel wichtiger, nett miteinander
umzugehen, als ihn stundenlang anzubeten. Außerdem ist es falsch, sich
gegenseitig wegen des Glaubens umzubringen oder Kriege zu führen. Denn jedem
steht es selbst zu, an wen oder an was er glaubt. Zudem wird auch der Papst als
sehr negativ beschrieben, wie folgendes Textbeispiel zeigt:
„Und ein anderer,
ebenfalls nicht unbedeutender Haufen betet einen Clown in Rom an, der allen
Ernstes beigetragen hat, Kindesmissbrauch zu vertuschen. Er sitzt im Vatikan.
Scheiße, er sollte im Gefängnis sitzen. [6]
Des Öfteren wird der Papst vom Autor ins Visier genommen und
angeklagt. Der Grund dafür: in den letzten Jahren hat sich oftmals Misstrauen
gegenüber der Kirche in den Menschen breitgemacht. Die Medien berichten von
mutmaßlichem Missbrauch von Kindern, aber auch von versteckten Vermögen durch
Bischöfen. Diese Berichte tragen dazu bei, dass christlichen Ideen immer
weniger Beachtung geschenkt wird. Das bestätigt auch eine österreichische
Umfrage, laut dieser beispielweise nur 30% glauben, dass Jesus von den Toten
auferstanden ist.
Des Weiteren darf im Buch jeder Mensch Frau und Familie
haben, auch Jesus selbst, denn auf Keuschheit und Sex erst nach der Ehe wird im
Buch nicht sehr viel Wert gelegt. Wer in unserer Kultur heutzutage keusch lebt,
gilt als altmodisch. Doch in anderen Kulturen ist Keuschheit immer noch ein
großes Thema und vor allem Frauen halten sich daran, um Reinheit und
Unversehrtheit zu vermitteln.
Der Autor möchte den Lesern klar vermitteln, dass in der
heutigen Zeit vor allem die Liebe zueinander im Fokus steht. Jeder Mensch
sollte frei entscheiden an wen er glaubt, ohne Druck von außen.
John Niven versucht zweifelsohne mit dem Buch zu schockieren
und das gelingt ihm eindeutig. Jedoch ist das Buch sicherlich nicht für
jedermann geschaffen. Der Leser sollte nicht alles wortwörtlich oder zu ernst
nehmen.
Die Probleme unserer heutigen Gesellschaft werden auf einer
realistischen Ebene angesprochen und der Autor nimmt kein Blatt vor den Mund,
sondern spricht Klartext. Meiner Meinung nach, steht der Humor an allererster
Stelle und zudem unsere Welt und Religion aus einem anderen Blickwinkel zu
betrachten. Konservativen Menschen ist das Buch auf keinen Fall zu empfehlen,
viel mehr jungen Menschen, die Lust auf Neues haben.
Das Buch wird von witzigen, aber auch tiefgründigen Zitaten
begleitet, die den Leser dazu bringen, genauer darüber nachzudenken.
Abschießend möchte ich einige dieser nennen:
„Alle Seelen müssen
weinen, wenn sie in kleinen Babys erwachen und feststellen, dass sie weit weg
vom Himmel sind. Literatur. Das war schon eine verdammt feine Sache. Dafür war
Er ihnen wirklich dankbar.“
„Glaubt ihr etwa, dass
Jesus, wenn er wiederkommt, noch jemals ein beschissenes Kreuz sehen will? Das
wäre ja, als würde man Jacqueline Kennedy da oben besuchen und einen Anhänger in
Form eines Scharfschützengewehres um den Hals tragen…“
„Wir wissen nicht, was
sie im Himmel machen. Aber was sie nicht machen, wird uns ausdrücklich gesagt.“[7]
[1] Jesus liebt mich, David Safier, Rowohlt Digitalbuch, Position 15 bis 34
[2] Jesus liebt mich, David Safier, Rowohlt Digitalbuch, Position 527 - 541
[3] Jesus liebt mich, David Safier,
Rowohlt Digitalbuch, Position 1181-1192
[4] Jesus liebt mich, David
Safier, Rowohlt Digitalbuch, Position 2709 - 2720
[5] Jesus liebt mich, David
Safier, Rowohlt Digitalbuch, Position 3134 - 3145
[6] Gott bewahre, John Niven, Taschenbuch, Ausgabe 12/1012
[7] Gott bewahre, John Niven, Taschenbuch, Ausgabe 12/2012
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