Donnerstag, 19. September 2013

Kulturportfolio - 2 Die Literatur der Biedermeierzeit



2 Die Literatur der Biedermeierzeit

2.1 „Der Verschwender“ von Ferdinand Raimund

Die Biedermeierzeit ist geprägt von den Ereignissen rund um den Wiener Kongress und die Schreckensherrschaft Napoleons. Die Menschen ziehen sich in ihre Häuser zurück und veranstalten kleine Feiern im Rahmen der Bekannten und der Familie. Überbleibsel der Romantik zeigen sich in den Motiven der Autoren: Natur, Liebe, Zweisamkeit, Idylle, der Gegensatz zwischen dem Guten und dem Bösen, die Zauberei und das Übernatürliche, Glückseligkeit und Friede. Einiger dieser Motive bedient sich auch Ferdinand Raimund in seinem Werk „Der Verschwender“.
Bereits am Beginn des Werkes konfrontiert Raimund die Leser mit den Verhältnissen, die auf dem Schloss des Herrn Julius Flottwell herrschen: Flottwell, welcher durch viel Glück das unermessliche Reichtum seines Vaters geerbt hat, lädt seine „Freunde“ ein, bei ihm zu wohnen und mit ihm ohne bestimmten Grund zu feiern. Vor allem der Bedienstete Valentin zeichnet sich durch seine unumstößliche Treue zu seinem Herrn aus. Trotz den Schikanen, welchen er  immer wieder ausgesetzt ist, zeigt er sich jedes Mal äußerst dankbar, wenn Flottwell ihm Trinkgeld gibt. So zum Beispiel bekundet er seinem Herrn in der folgenden Passage seine Ergebenheit. Es handelt sich dabei um ein Gespräch zwischen Rosa und Valentin, während er ihr erzählt, dass er bei der letzten Jagd eine Ente aus dem See „apportieren“ hat müssen.
Rosa: Und das laßt du dir so alles gfallen?
Valentin: Ja weil ich halt für meinen Herrn ins Feuer geh, so geh ich halt auch für ihn ins Wasser.[1]
Diese Aussage zeigt gleichzeitig, dass die Bediensteten sich vieles gefallen lassen müssen.

Auch die Geliebte von Valentin ist einigen Schikanen ausgesetzt. Zum Beispiel kann sie sich gegen die Annäherungsversuche von Chevalier Dumont nicht wehren.
Dumont: Ah! Schöne Ros‘! (Umfaßt sie zärtlich)
Rosa (windet sich los): Ah was generos. Was hab ich von ihrer Generosität. Ich muß in Garten hinaus.
Dumont: O, Sie dürfen nicht. Ich sein zu enchantè. Dieser Wangen! Dieser Augen! Dieser Augenblicken! O Natur, was haben du da geschaffen, ich kann mick nicht enthalten. Ich muss Sie embrasser.[2]
Bevor Chevalier Dumont jedoch die Bedienstete Rosa bedrängt, begegnet er einer alten Dame. Diese erzählt ihm, dass ihr Mann sie zu Hause ohne gegebenen Grund schlägt. Vielleicht will Ferdinand Raimund damit eine kurze Passage schaffen, in denen er den Lesern zeigt, wie es den Frauen zurzeit geht. Anscheinend genießen einige nur niedrigen Rang und haben ausschließlich die Aufgaben der Hausfrau und der Erzieherin zu erfüllen. Dies bestätigt im weiteren Verlauf auch Rosa, als Flottwell als Bettler bei ihnen im Haus Rast findet. Allerdings tritt sie nicht demütig oder untertänig auf, sondern eher im Gegenteil: selbstbewusst und diejenige, die die „Hosen anhat“.
Rosa: …Mein Mann ist ein guter Lappe, der läßt sich zu allen überreden. Der nähmet die ganze Welt in Haus, aber ich bin die Hausfrau, ich hab zu entscheiden, ich kenn unsere Verhältnisse, unsere Ausgaben und unsere Einnahmen. Ich muß für die Kunder sorgen, wenn sie nichts zu essen haben, und ich kann meine Einwilligung nicht geben…Heut in meinem Haus und nimmer![3]
Die Fee Cheristane verkörpert die Liebe. Sogar für jemanden wie Flottwell – abgehoben, süchtig danach, sich mit den Großzügigkeiten Aufmerksamkeit von anderen zu ergattern – stellt die Liebe etwas Wesentliches dar, das ihn sogar das Geld vergessen lässt. Cheristane und der von ihr erschaffene Geist Azur, symbolisieren auch die Zauberei und das Übernatürliche. In der Zeit des Krieges und der Angst flüchten sich die Menschen in eine Scheinwelt, um der grausamen Realität entrinnen zu können. Dies hat bereits in der Romantik seine Anfänge genommen.
Später geht aus der spontanen Flucht mit seiner Geliebten Amalie hervor, dass es für ihn eigentlich etwas Wichtigeres gibt, als den angehäuften Besitz: Er möchte Zeit mit den Menschen verbringen, die ihm etwas bedeuten. Ein Beispiel dazu bietet das Gespräch, das Amalie und Julius heimlich führen, als sie ihre Flucht planen:
Amalie: Gott, wie siehst du aus!
Flottwell: Wie ein Mann, der seinem Schicksal trotzt. Doch noch ist nicht mein Glück von mir gewichen, weil ich dich nur sprechen kann. Jede Minute droht. Du mußt mit mir noch diese Nacht entfliehen.[4]
Dieser Abschnitt verdeutlicht, dass Julius Flottwell sein „Glück“ nicht darin findet, reich zu sein und Geld für alles und jeden auszugeben, sondern darin, mit seiner Liebsten sprechen zu können.
Wie bereits erwähnt, erscheint der reiche Schlossherr Flottwell im letzten Aufzug als Bettler. Er hat all seine Schätze verloren – sowohl Frau und Kind, als auch sein gesamtes Vermögen. Doch auch seine damaligen „Freunde“ wollen von dem verarmten Mann ohne Besitztümer und ohne Macht nichts mehr wissen. Den tiefen Fall betrachtet Flottwell selbst als Strafe Gottes:
Flottwell: Ich habe nichts zu fordern, gar nichts mehr. Was ich mit Recht zu fordern hatte, ist mir durch einen Höhern (Blick gegen Himmel) schon geworden…[5]
Der tiefe Fall eines ehemals so reichen Mannes erinnert mich an die folgende Stelle aus „Der Traum ein Leben“ von Franz Grillparzer:
Eines nur ist Glück hinieden,
Eins: Des Innern stiller Frieden
Und die schuldbefreite Brust!
Und die Größe ist gefährlich,
Und der Ruhm ein leeres Spiel;
Was er gibt sind nicht’ge Schatten,
Was er nimmt, es ist so viel!
Dass schlussendlich der als Bettler getarnte Geist Azur dem Schlossherrn alles zurückgibt, was er ihm einst aus Mitleid anvertraut hat, stellt eine ausschlaggebende Metapher dar: Was man im Leben gibt, bekommt man eines Tages wieder zurück. So erhält Julius Flottwell von seinem treu ergebenen Diener Valentin und seiner Frau Rosa eine Unterkunft – wenn auch widerwillig – und von dem Geist Azur einen kleinen Teil seines ehemaligen Reichtums. Aber in dem eigenartigen Verhältnis zwischen dem Bettler und dem reichen Schlossherrn sehe ich persönlich noch eine weitere Botschaft:
Der kleine Mann kann ohne den großen nicht leben, genauso wie der große/reiche nicht ohne den kleinen leben kann.

2.2. Zusammenfassung Vormärz Literaturbuch

2.2.1 Raimund und Nestroy

Ferdinand Raimund und Johann Nestroy spielen beide als Komiker im Wiener Volkstheater. Doch als ihnen die Rollen in Wiener Lokalstücken und Zauberspielen nicht mehr genügen, beschließen sie ihre eigenen Stücke zu schreiben. Beide müssen sich der strengen Zensur unterordnen. Dies bringt die Autoren dazu, sich selbst schlaue Stilmittel einfallen zu lassen, um diese Zensur geschickt zu umgehen. So stehen zum Beispiel in Werken von Raimund statt dem festen Text eines Liedes nur „Ein Lied.“. Der Schauspieler, welche die Rolle des Protagonisten mimt, muss somit improvisieren und kann jedwede Wörter und Reime in diesem Lied verwenden. Er macht auch Gebrauch von der sogenannten „Allegorie“. Dies bedeutet, dass er menschliche Eigenschaften, sittliche Begriffe oder kosmische Ordnungsmächte personifiziert. So kann es durchaus geschehen, dass ein Mensch plötzlich auf das Alter, die Jugend oder jemanden wie den Tod trifft. Er verwendet dieses Stilmittel, um den Menschen Ideale oder das Wirken der höheren Mächte zu vermitteln.
Im Gegensatz zu Raimund versucht Nestroy den Menschen nicht zu zeigen, wie sie zu sein haben, sondern wo ihre größten Fehler liegen. Das ist auch der Grund wieso seine Werke eher gesellschaftskritisch orientiert sind.

2.2.2 Adalbert Stifter

Adalbert Stifter hingegen benutzt die Sprache als einen Ersatz für den Pinsel. Er beschreibt Szenarien, Landschaften und Bühnenbilder derart genau, dass man sich ein detailgetreues Bild im Kopf herbeizaubern kann. Anfangs zeigt sich vor allem das gebildete Volk sehr begeistert von den Werken Stifters. Doch es gibt genauso viele Gegner seiner Dichtung. Eine Kritik trifft ihn besonders hart: Friedrich Hebbel, wessen Kritik größeres Gewicht hat und weitere Verbreitung findet.


[1] RECLAMS UNIVERSAL-BIBLIOTHEK Nr. 49, 1. Aufzug, 6. Auftritt, S. 17
[2] RECLAMS UNIVERSAL-BIBLIOTHEK Nr. 49, 2. Aufzug, 6. und 7. Auftritt, S. 41
[3] RECLAMS UNIVERSAL-BIBLIOTHEK Nr. 49, 3. Aufzug, 8. Auftritt, S. 79
[4] RECLAMS UNIVERSAL-BIBLIOTHEK Nr. 49, 2. Aufzug, 14. Auftritt, S. 55
[5] RECLAMS UNIVERSAL-BIBLIOTHEK Nr. 49, 3. Aufzug, 3. Auftritt, S. 68

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen