Interpretation – Sehnsucht
Die Romantik - Liebe, Sehnsucht,
Treue, Freundschaft, Perfektion, Fernweh und Einsamkeit stellen die Autoren
dieser Epoche gerne in Gedichten und Geschichten dar. In der Zeit der
gewaltvollen Umgestaltung Europas durch Napoleon und der Unsicherheit vor der
Zukunft, spielt das geschaffene Perfekte in den Erzählungen eine große Rolle.
Die Menschen schaffen sich mit fantasievollen und wunderschönen Kulissen eine
zweite Realität, die – wenn auch nur für kurze Zeit – von der unangenehmen
Wirklichkeit ablenken sollte.
Das Gedicht „Sehnsucht“, erschienen
1834 und geschrieben von Joseph Eichendorff, beinhaltet die typischen Motive
der Epoche der Romantik. Es besteht aus 3 Strophen mit jeweils 8 Versen, welche
Eichendorff im Kreuzreim geschrieben hat. Genau in der Mitte der 24 Verse
beginnt ein Lied, welches ein weiteres Motiv der Romantik darstellen sollte:
die Musik.
In der ersten Strophe beschreibt
das Ich die Situation. Man erkennt als Leser, dass es sich in einem Raum
befindet und von diesem nach draußen sieht. Dies symbolisiert meines Erachtens
gleichzeitig ein Gefängnis, in das es sich eingeschlossen fühlt und die
Freiheit nach der es sich sehnt. Draußen sieht man in einer klaren Sommernacht
die Sterne am Firmament funkeln. Die Sterne – für das Schöne und wunderbare
stehend – und die Sommernacht – die man sich automatisch warm und golden
vorstellt – bilden wieder zwei typische Motive der Romantik. Die Verse
„Am Fenster ich einsam stand
Und hörte aus weiter Ferne
Ein Posthorn im stillen Land.
Und hörte aus weiter Ferne
Ein Posthorn im stillen Land.
Das Herz mir im Leibe entbrennte,
Da hab ich mir heimlich gedacht:
Ach, wer da mitreisen könnte
In der prächtigen Sommernacht!“
Da hab ich mir heimlich gedacht:
Ach, wer da mitreisen könnte
In der prächtigen Sommernacht!“
drücken durch bestimmte Worte ein
Fernweh aus, das in der Brust des Ichs entbrennt, wenn er die Weiten des Landes
erblickt, wie es zum Beispiel durch „Das
Herz mir im Leibe entbrennte“ verdeutlicht wird. Aber die nachfolgende
Zeile drückt aus, dass das Ich sich eigentlich nicht traut, diese Gedanken laut
auszusprechen – vielleicht weil die Vorstellung ganz einfach als zu
unrealistisch gilt.
In der zweiten Strophe kommen nun
zwei Wanderer ins Spiel, die die Sehnsucht nach Abenteuern und Reisen im Herzen
des Ichs noch weiter steigert. Ab der Hälfte der zweiten Strophe singen die
beiden ein Lied von den Begebenheiten der Natur, in die sie auf ihrer Reise
bereits verwickelt gewesen sind. Von der friedvollen Welt, wie sie das Ich
kennt, lässt sich in der Welt der Wanderer nichts erkennen. Für mich drückt die
leidenschaftliche Beschreibung der Natur eine unruhige Freude aus, die sie
tagtäglich begleitet, mit ständiger Vorfreude auf das nächste Abenteuer.
Die dritte Strophe setzt das Lied
der zwei Gesellen fort, jedoch singen sie hier von der Natur wie sie der Mensch
geschaffen hat – Marmorbilder, Paläste, Gärten und Brunnen. In dieser Strophe
schwingt meiner Meinung nach Bedauern mit, über die Bauten der Menschen. Joseph Eichendorff beendet diese aber auch
die erste Strophe mit „In der prächtigen
Sommernacht.“. Die Parallele bedeutet für mich, dass sowohl das Ich –
gefangen und sehnsüchtig – als auch die beiden Wanderer – frei und zufrieden –
sich der Natur erfreuen können. Die Natur wiederum gilt als weiteres typisches
Motiv der Romantik.
Im Gegensatz zu heute hat es damals
nicht die Möglichkeit gegeben mit Flugzeugen rund um die Welt zu reisen.
Allerdings findet man teilweise wieder die Motive der Romantik in der heutigen
Literatur. Der Boom um die Genre „Fantasy & Sci-Fi“ erinnert stark an die
Realitätsflucht von damals. Auch heute wollen Menschen die Realität ausblenden
und an eine Welt und Zukunft glauben, die es eigentlich nicht gibt und nie
geben wird.
Eigenartig, dass Realitätsflucht in
einer Zeit in der wir alles haben, überhaupt als notwendig erscheint.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen