Siddhartha
Der Autor Hermann Hesse wächst in
einem protestantisch-pietistischen Elternhaus auf. Neben diesen Religionen,
deren Regeln sich der junge Hesse untergeordnet sieht, prägen auch der
Hinduismus, der Buddhismus und später der Taoismus seine Persönlichkeit. Sein Vater und sein Großvater sind
verantwortlich dafür, dass Hermann Hesse schon früh mit diesen Religionen
vertraut gemacht wird, da sie immer wieder wegen Missionsarbeiten nach Indien
reisen. Er verspürt schon früh den Drang aus dem frommen und strikt
christlichen Weltbild der Eltern auszubrechen und die Depressionsphasen, die er
schon im Altern von 15 Jahren hat, ziehen sich fort bis ins hohe Alter. Die
Verzweiflung, die die vergebliche Suche nach seiner wirklichen Identität mit
sich zieht, bringt ihn oft zu einem Tiefpunkt in seinem Leben. Als Therapie
schreibt er seine Gedanken und Gefühle in verschiedenen Büchern nieder. Auch
„Siddhartha“ schildert die Suche nach dem wirklichen Ich und erweckt dadurch –
mit etwas Hintergrundwissen über Hermann Hesse – den schwachen Verdacht, dass
es sich hierbei um eine Autobiografie handelt. Während der Entstehungszeit von
1919 bis 1922 durchleidet Hermann Hesse die tiefste Lebenskrise, was auch der
Grund dafür ist, dass das Buch in zwei Teile unterteilt worden ist.
Was muss man tun um Vollkommen zu
sein? Was muss man tun, welche Gebete sprechen, welche Taten vollbringen,
welche Erfahrungen sein Eigen nennen, um von sich behaupten zu können, man ist
vollkommen, man hat sein Ziel erreicht, sich selbst entdeckt und kennengelernt.
Welche Stationen im Leben muss man gehen, welche Schritte tun, wie viele
Entscheidungen treffen und wie viele Fehler machen, um sein Ich zu ergründen.
Siddharthas Ziel ist es seit langer
Zeit dieses Ich zu erkennen. Sein Durst kann durch keine Lehre und keine
weitergegebenen Weisheiten von Priestern oder heiligen Schriften gestillt
werden. Er ist verwirrt, vom Weg abgekommen, der nie seiner war. Als
Brahmanensohn ist es ihm vorherbestimmt von den Priestern die Lehren des Buddha
zu vernehmen, sich der Versenkung hinzugeben, Opfer zu bringen während
Opferlieder gesungen werden und die heiligen Waschungen durchzuführen, um sich
immer wieder von den Sünden rein zu waschen. Doch er erkennt bald, dass er
durch solche Tätigkeiten, wie sie jeder andere Brahmane auch tagtäglich
durchführt, niemals den ewigen Kreislauf durchbrechen kann. Ihm dürstet es
danach, die Erlösung zu finden, in dem er seinen eigenen Weg findet. Er
befürchtet von den Priestern bereits alles von ihrer Weisheit erfahren zu
haben. Sie können ihm nichts mehr geben. Aus diesem Grund beschließt Siddhartha
eines Tages nach der Versenkung, zu den Samanas zu gehen, um dort zu versuchen,
sein Ich zu finden. Sein Freund und Schatten Govinda folgt ihm – wie auch sonst
überallhin – zu den im Wald lebenden Asketen. Nachdem Siddharthas Vater
anfänglich nicht zustimmt, seinen Sohn gehen zu lassen, bleibt Siddhartha doch
standhaft und bringt seinen Vater schließlich zu der Erkenntnis, dass er
sowieso schon lange nicht mehr zu Hause weilt, sondern sich bereits bei den
Samanas befindet
Die Samanas nehmen die beiden
Brahmanensöhne auf und lehren sie. Die Entfremdung des Körpers und der damit
verbundenen Gelüste, Gefühle und Schmerzen ist nun der Hauptbestandteil der
Lehren. Siddharthas Ziel steht ihm allgegenwärtig vor Augen: Die Entselbstung
des eigenen Wesens, damit er für das Wunder des Innersten offen sein kann. Er
lernt, seinem Körper und seinem Ich zu entfliehen, nur um dann enttäuscht
wieder fest zu stellen, dass er immer wieder den Weg zurück gehen muss. Auch
hier lebt er mit der Qual des auferlegten Kreislaufes und sieht keinen Ausweg
daraus. Siddharthas skeptische Charakterzüge verleiten ihn immer wieder zu
Misstrauen, Misstrauen in die Lehren der Brahmanen und Samanas, Misstrauen in
den Sinn des Lehrens und Lernens, Misstrauen in die Erreichung der Erlösung
durch das Führen eines frommen Lebens eines Samanas. Und so kommt es, dass die
beiden Brahmanensöhne nach knapp drei Jahren beschließen, Gerüchten zu folgen,
die davon sprechen, dass ein Buddha erschienen sei, ein Askete, der es
geschafft habe, aus dem Kreislauf auszubrechen und die Erfahrung der
Erleuchtung zu machen. Govinda, seiner neugierigen Seite folgend, unterbreitet
Siddhartha den Vorschlag, diesen Buddha aufzusuchen und sich seine Lehren
anzuhören, denn die Erleuchtung zu erleben, sei schließlich auch Siddharthas
Ziel.
Die beiden machen sich auf den Weg
zu dem Hain, in dem Gotama mit seinen Mönchen lebt. Gotama selbst, sieht auf
den ersten Blick wie alle anderen Mönche aus, die in dem Hain leben – ein Asket
mit einem gelben Gewand. Doch Siddhartha erkennt sofort, welche Erhabenheit,
Reinheit und Vollkommenheit in jeder der Bewegungen des Buddhas steckt, mit
welchem Licht und Frieden sein Wesen umgeben ist und wie sehr er ihn, allein
wegen seiner friedlichen und heiligen Ausstrahlung liebt. Er vernimmt zusammen
mit Govinda seine Lehren, doch Siddhartha ist nicht besonders angetan von
jenen. Govinda schließt sich in Eifer und Bewunderung dem Buddha an. Siddhartha
jedoch spricht von einem Fehler in den Lehren, welche der Erhabene lehrt und
zieht nach einem Gespräch mit dem vollendeten Buddha weiter. Govinda fällt der
Abschied von seinem Jugendfreund schwer, aber Siddhartha erklärt ihm, dass
Govinda alleine durch die Entscheidung bei dem Erhabenen zu bleiben, zu einem
Mann geworden sein und somit nicht mehr der Schatten von Siddhartha ist,
sondern nun dem Buddha folgen soll und ihm auf seinem Weg folgt.
Siddhartha lässt durch die
Entscheidung, den Buddha, seine Lehren und Govinda zu verlassen, seine
Vergangenheit und somit auch sein altes Ich zurück. Nun liegt es an ihm ein
neues Leben anzufangen, fern von Heimat, Freunden oder Lehren. In einem
Augenblick der Klarheit erkenn Siddhartha, dass er bis jetzt nichts klar
gesehen hat, dass der Schleier des Nachdenkens und des Analysierens, der
Schleier des Sehenwollens, seinen Blick unscharf gemacht hat. Er sieht nun
alles in einem ganz anderen Licht, er erkennt plötzlich die Einfachheit der
Beschaffenheit des Seins eines jeden Menschen und eines jeden Dinges auf der
Welt. Bisher ist er der Meinung gewesen, dass hinter allem stofflichen auch
etwas stecken muss, das er das „Wesen“ nennt. Dabei hat er ganz übersehen, dass
alleine durch das Betrachten eines Dinges bereits der Großteil des jeweiligen
Wesens zu Tage tritt. Er fühlt sich wie neu geboren, die Zukunft völlig offen
und unbestimmt von Siddharthas Vergangenheit und unberührt von allem was er
erlebt hat. Er fühlt sich allein…und in diesem Moment des Alleinseins, verspürt
er den Wunsch, sein Wesen und seinen Weg neu zu definieren, um es am Ende
seines Weges kennen zu lernen.
Im Folgenden, erfüllt von seiner
neuen Art, die Welt zu sehen, erreicht er eine Stadt. Dort trifft er noch vor
den Toren auf Kamala, eine Kurtisane. Er ist sofort von ihr begeistert und
bittet sie am folgenden Tag ihm das Lieben zu lehren, mit allem was dazu
gehört. Kamala erklärt sich dazu bereit, ihn zu unterrichten, doch zuerst muss
Siddhartha Geld verdienen, um sich Kleider kaufen zu können und Schuhe. Solange
Siddhartha nicht ein Geschäftsmann sei, werde Kamala ihn nichts lehren. Als sie
ihn fragt was er könne, nennt er die Talente, die er im Laufe der letzten Jahre
erlernt hat und mit denen er zu dem geworden ist, das ihn heute ausmacht:
Denken, fasten und warten. Kamala sieht in diesen Talenten nicht viel
Potenzial, um im Handel zu bestehen und überhaupt ein Geschäftsmann zu werden.
Aber sind diese drei Talente doch jene, die vielen Menschen fehlen und welche
sie zu besseren und vielleicht auch glücklicheren Individuen machen würden.
Auch heutzutage sind es diese drei simplen Fähigkeiten (und Fähigkeiten sind
sie wahrlich, da man sie erst erlernen muss), die unseren Alltag etwas weniger
trist und überfüllt von Selbstmitleid gestalten würden.
Für Siddhartha ist es nichts Neues auf etwas hart hinzuarbeiten, beschreibt er sich selbst doch auch als Stein, der den schnellsten Weg wählt um sein Ziel zu erreichen. Und so lernt er den Geschäftsmann Kamaswami kennen.
Für Siddhartha ist es nichts Neues auf etwas hart hinzuarbeiten, beschreibt er sich selbst doch auch als Stein, der den schnellsten Weg wählt um sein Ziel zu erreichen. Und so lernt er den Geschäftsmann Kamaswami kennen.
Obwohl Siddhartha in diesem Kapitel
lernt, mit Geld umzugehen und ein Geschäftsmann wird, steht doch die Liebe und
Lust im Vordergrund. Die Geschäfte, Leiden, Schmerzen und Freuden der Menschen
in dieser Stadt berühren ihn nicht. Er arbeitet, um sich mit Kamala verabreden
zu können. Macht er Gewinn, nimmt er es zur Kenntnis, freut sich aber auch
nicht großartig darüber und genauso verhält es sich auch mit den Verlusten, die
er immer wieder hinnehmen muss. Im Gegensatz zu den Geschäftslauten und
Bekannten, ist er zwar mit seinem Verstand dabei, aber die Leidenschaft, wie
sie zum Beispiel Kamaswami empfindet, verspürt er nicht im Geringsten. Er sieht
das Leben der „Kindermenschen“ als Spiel an und handelt zwar nach den Regeln,
die hier gelten, steht dem Geschehen jedoch unbeteiligt gegenüber. Er
bezeichnet sich selbst als Zuschauer, der das Leben und die Beweggründe der
Bevölkerung nicht gänzlich versteht. Alle Ereignisse, die ihm wiederfahren,
stehen von seinem Standpunkt aus in einem positivem Licht. Auch wenn ihm etwas
Schlechtes passiert, macht er sich die Fähigkeiten, die er bei den Samanas
gelernt hat zu Nutze und bewirkt so, dass die Geschehnisse ihn nie wirklich in
seinem Innersten berühren. Die Menschen in seiner Umgebung lernen den
geduldigen Geschäftsmann zu schätzen und beklagen nun bei ihm ihre Sorgen, bitten
um sein Mitgefühl und erbeten seinen Rat. Kamala lernt ihm indes alle ihre
Künste, alle ihre Techniken und die Regeln der Liebe und der Lust. Als sie sich
nach einem Lustspiel unterhalten, erzählt sie ihm, dass er ihr stärkster und
bester Liebhaber sei und sie eines Tages ein Kind von ihm wolle. Sie stellt
außerdem fest, dass er zwar die Regeln des Spiels der Kindermenschen gut lerne
und einhalte, im Innersten jedoch immer noch ein Samana sei und auch, dass er
deshalb nie wirklich lieben könne.
In den folgenden Jahren verblasst
die Erinnerung an das Erwachen nach dem Verlassen des Hains des Buddhas immer
mehr. Siddhartha ähnelt immer mehr den Kindermenschen und füllt seine Seele Tag
um Tag mit Sorgen, Missmut und kindlicher Torheit. Seine Sinne schärfen sich
nach Jahren der Abtötung bei den Samanas wieder und machen ihm nur allzu klar,
wie abhängig er von Gütern geworden ist und wie sehr er sein Leben von Erfolg
oder Verlust im Geschäft bestimmen lässt. Seine Seele wird träge, genauso wie
sein Denken. Der einst stolze und erhabene Siddhartha verkümmert immer mehr zu
einem von ihm verachteten Kindermenschen. Die Ungeduld in ihm wächst, die
Schläfrigkeit steigt und die Faulheit zieht in seinen Geist ein. Doch es gibt
immer noch eine Sache, um welche er die Kindermenschen beneidet: ihre Fähigkeit
jemanden oder etwas mit dieser kindlichen Naivität zu lieben und sich mit
Leidenschaft dieser Liebe zu einem Ding oder einer Person hinzugeben. Da sein
Leben immer grauer und trüber wird, entwickelt sich eine gewisse Sucht, die wir
heutzutage wohl die Sucht nach dem Adrenalinkick nennen würden. Er empfindet in
nichts das er in seinem Leben tut mehr Glück oder Freude und diese Tatsache
bringt ihn dazu, die Gefühle im Würfelspiel zu suchen und teilweise auch zu
finden. Durch hohe Einsätze, die er regelmäßig verspielt, versucht er, wie er
es ausdrückt, dem Reichtum und der Habgier sein Verabscheuen zu zeigen. Eines
Nachts, nachdem er einige Zeit mit Kamala verbracht und sich von dem
Zusammensein seiner Bekannten verabschiedet hat, klärt ein Traum den Nebel, der
ihn in letzter Zeit umhüllt und festgehalten hat. In diesem Traum sieht er
einen seltenen Singvogel, den er bei Kamala in einem Käfig immer bewundert hat,
sterben und seine Stimmte für immer verklingen. Diesen toten Vogel nimmt
Siddhartha gefühllos in die Hände und wirft ihn auf die Gasse. Erschrocken von
jener Gefühllosigkeit mit welcher er den Vogel beseitigt hat, bemerkt er, dass
auch seine innere Stimme gestorben scheint und somit auch das Wesen, das ihn
immer ausgemacht und abgehoben hat von der Menge der Kindermenschen. Er
beschließt, seinen Weg weiter zu gehen und verlässt die Stadt. Kamaswami lässt
nach ihm suchen, Kamala jedoch hat dies immer geahnt und wundert sich nicht
sehr darüber. Einige Wochen nach dem Verschwinden von Siddhartha, erfährt
Kamala, dass sie schwanger sei.
IN tiefster Verzweiflung und
versunken in Ekel vor sich selbst, wünscht sich Siddhartha nichts sehnlicher
als den Tod, da ihn auch nichts mehr auf dieser Welt hält. Er hat bereits den
Entschluss gefasst, sich in einem Fluss zu ertränken, den er einstmals nach dem
Erhören des Gotamas mit einem Fährmann überquert hat, doch in diesem Moment des
Entschlussfassens, hört er das Om aus seinem Inneren erklingen und erkennt die
Torheit seines Tuns. Als Siddhartha aus einem tiefen und „verjüngendem“ Schlaf
erwacht, sieht er sich Govinda gegensitzen, dieser jedoch erkennt ihn
anfänglich nicht. In Gedanken durchreist er nun die Stationen in seinem Leben
und sieht sich wieder als Kind und somit kindlich am Anfang stehen. Er ist
erleichtert über die Tatsache, dass der Vogel in seinem Inneren trotz allem
noch lebt und ihm selbst in seiner verzweifeltsten Stunde errettet hat. Er
sieht seine Vergangenheit in dem Moment des Nachdenkens am Fluss in einem völlig
anderen Licht und begreift, dass in den Jahren in denen er das Denken, Warten
und Fasten erlernt hat, eigentlich nur sein hochmütiges Ich gefüttert hat,
nicht jedoch abgetötet, wie er es bisher immer angenommen hat. Durch die Lust-
und Machtspielchen, denen er sich als Geschäftsmann hingegeben hat, hat er auch
den Samana und somit den alten und müden Siddhartha in sich getötet. Durch das
Aufwachen aus dem tiefen Schlaf ist er in ein neues Leben erwacht.
Im Folgenden trifft Siddhartha auf
den Fährmann von damals. Diese Begegnung bewahrheitet die Aussage des
Fährmannes von damals: dass man sich immer ein zweites Mal im Leben trifft.
Siddhartha nimmt die Einladung in die Hütte des Fährmannes Vasudeva dankend an
und erzählt ihm auch seine Geschichte. Siddhartha beobachtet, mit welcher
Hingabe der Fährmann seiner Geschichte lauscht und ist fasziniert, wie der
Fährmann dieses Zuhören zu einer wahren Fähigkeit verwandelt. Er verrät
Siddhartha auch, dass auch er dieses Geheimnis des Zuhörens vom Fluss lernen
wird. Folglich lernt Siddhartha von Vasudeva, Boote zu bedienen und arbeitet
für ihn. Vor allem jedoch, lernt Siddhartha in der Zeit, in der er am Fluss
lebt von genau diesem. Nach einigen Jahren, erreicht die Beiden das Gerücht,
dass der Erhabene, der Buddha, Gotama schwerkrank sei und bald für immer ins
Nirwana eingehen würde. Kamala, welche sich mit ihrem Sohn auf den Weg zu
Gotama macht, wird auf ihrem Weg, kurz vor dem Fluss, von einer Schlange
gebissen. Siddhartha und Vasudeva kümmern sich um sie, doch der Todeskampf
währt nicht mehr lange. Der letzte Gedanke, der in ihrem Kopf spross, ist
jener, dass sie zwar zu Gotama pilgern wollte, um sein heiliges und vollendetes
Gesicht zu sehen, es aber ebensogut ist, wenn sie nur in Siddharthas Gesicht
blickt. In den Momenten nach Kamalas Tod, gedenkt Siddhartha der ewigwährenden
Momenten und empfindet das Gefühl der Ewigkeit.
Siddharthas Sohn bleibt bei den
beiden Fährmännern, die Erziehung von diesem jedoch, hat aus ihm einen
verwöhnten Jungen gemacht, der weder die dargebotene Liebe von seinem Vater
annehmen will, noch sich seinem Schicksal beugen und die Tatsache akzeptieren,
dass er nun bei seinem Vater leben müsse. Vasudeva rät dem verzweifelten
Siddhartha, seinen Sohn wieder in die Stadt zurück zu bringen – in seine bekannte
Welt zurück, in der er aufgewachsen ist. Siddhartha, vollkommen hingerissen von
seinem Sohn, will mit allen Mitteln verhindern, dass der kleine Siddhartha die
gleichen Fehler macht, mit denen auch er sich konfrontiert gesehen hat – Geld-
und Machtsucht. Vasudeva gibt ihm den weisen Rat, dass kein Vater seinen Sohn
vor Fehlern bewahren kann und dass jeder sie selbst machen muss, um weise zu
werden. Siddhartha, der sich immer noch weigert sein eigen Fleisch und Blut
gehen zu lassen, sieht sich nun mit einer unangenehmen Tatsache konfrontiert. Nun,
nach seiner ganzen langen Reise, nach Enttäuschungen und Fehlern, nach Absinken
in die seiner Meinung nach verachtenswerteste Weise zu leben und nach Phasen
der Verzweiflung und des Aufgebens, ist aus ihm nun ein wahrhaftiger
Kindermensch geworden. Denn nun ist der Moment gekommen, in dem er
bedingungslos liebt, der Liebe Tor geworden ist und in dem Gefühl der
unerwiderten Liebe seinem Sohn gegenüber, sowohl Schmerz als auch Freude
empfindet. Eines Tages ist der kleine Siddhartha verschwunden und natürlich
versucht sein Vater ihn auf dem Weg zur Stadt einzuholen. Doch mitten im Weg
sieht er ein, dass sein Handeln und sein Bedürfnis ihn zu sehen, töricht ist.
So kehrt er verletzt und traurig zum Fluss zurück.
Nun, da Siddhartha selbst Liebe und
den damit verbundenen Schmerz empfunden hat, fühlt er sich in der Lage mit
allen anderen Menschen mitzufühlen. Er verachtet sie nun nicht mehr und
beneidet sie sogar um manches. Das erste Mal, seit er seine Reise angetreten hat
und unter den Kindermenschen gelebt hat, fühlt er sich wie einer von ihnen und
sich durch eine eigentümliche Art mit ihnen verbunden. Durch viel Nachdenken,
gelangt er zu dem Schluss, dass jeder Mensch im Grunde gleich ist.
Nachdem Siddhartha einen weiteres
und letztes Mal seinem inneren Trieb nachgibt und seinen Schmerz um den Verlust
seines Sohnes stillen will, indem er ihm in der Stadt aufsucht, hält ihn dieses
Mal der Fluss auf, seinen Weg bis zum Ende zugehen. Er erblickt in der
Wasseroberfläche sein Spiegelbild und wird unwillkürlich an seinen eigenen
Vater erinnert und daran, dass auch dieser denselben Schmerz ausgehalten haben
muss, als Siddhartha ihn damals verlassen hat und nie wieder zurückgekehrt ist.
Im Folgenden öffnet Siddhartha sich Vasudeva gegenüber vollkommen, erzählt dem
Erhabensten der Zuhörer alle seine Gedanken und erkennt mitten im Monolog, dass
auch Vasudeva zu jenen Menschen gehört, die vollendet sind und dass Siddhartha
nicht weit davon entfernt ist, so zu werden wie er. Während er fortfährt, seine
Gefühle Vasudeva gegenüber zu beschreiben, nimmt er leise Abschied von seinem
Lehrmeister. Nach dem öffnenden Gespräch, lauschen beide dem Fluss und
Siddhartha macht eine Erfahrung, wie er sie bisher noch nie erlebt hat. Obwohl
er von Anfang an realisiert hat, dass der Fluss tausend Stimmen besitzt –
lachende, weinende, kindliche, weise… - fällt ihm jetzt erst auf, dass alle
diese Stimmen ineinander verwoben und auf tausendfache Weise verbunden sind und
so ein klares einheitliches Bild ergeben. Er hat nun den Blick für das Alles in
einem jeden Einzelteil, sieht die Vollendung in allem und jedem. Dieses letzte
Lauschen mit Vasudeva, der Siddhartha bald darauf verlässt und in den Wald
geht, hat Siddhartha die Erleuchtung gebracht.
Als Siddhartha ein letztes Mal auf
seinen Jugendfreund Govinda trifft, diesem erzählt, wie sein Leben verlaufen
ist und ihm erklärt, dass man Weisheit nicht mitteilen kann, stehen sich der
ewig Suchende und der Erleuchtete gegenüber und bilden so einen krassen Gegensatz.
Govinda, ewig ein Ziel vor Augen und beinahe blind vor Versessenheit auf das
Finden und Siddhartha, frei von Leidenschaft, Wünschen, Urteilen, Meinungen,
Aufgaben und Zielen. Siddhartha hat Weisheit dadurch erlangt, selbst
Erfahrungen zu machen, von ganz oben nach ganz unten zu fallen, sich jeglichen
Lastern und Wünschen der Kindermenschen – also des einfachen Lebens –
hinzugeben, an von Verzweiflung und Selbsthass hervorgerufenen
Selbstmordgedanken beinahe zu sterben und hat sich trotz allem wieder hoch
raffen können und ist nur durch Lauschen, durch Still werden und einfachem
Leben zur ewigen Weisheit gelangt und somit zu einem Heiligen geworden. Govinda
jedoch ist sein Leben lang den Regeln seines Glaubens gefolgt, hat ein striktes
Ziel vor Augen gehabt, das zu finden seine Lebensaufgabe dargestellt hat.
So sehr Siddhartha vernünftig, gelehrig und gehörig ist – ob es nun seinem Vater oder den Regeln einer Religion oder einer Lebensweise gegenüber betrachtet wird – so ist er auch genauso willensstark und eigensinnig, wenn es darum geht, ein Ziel zu erreichen.
So sehr Siddhartha vernünftig, gelehrig und gehörig ist – ob es nun seinem Vater oder den Regeln einer Religion oder einer Lebensweise gegenüber betrachtet wird – so ist er auch genauso willensstark und eigensinnig, wenn es darum geht, ein Ziel zu erreichen.
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