Montag, 30. Juli 2012

Portfolioarbeit Siddhartha von Hermann Hesse - Literarische Facharbeit


Siddhartha
Der Autor Hermann Hesse wächst in einem protestantisch-pietistischen Elternhaus auf. Neben diesen Religionen, deren Regeln sich der junge Hesse untergeordnet sieht, prägen auch der Hinduismus, der Buddhismus und später der Taoismus seine Persönlichkeit.  Sein Vater und sein Großvater sind verantwortlich dafür, dass Hermann Hesse schon früh mit diesen Religionen vertraut gemacht wird, da sie immer wieder wegen Missionsarbeiten nach Indien reisen. Er verspürt schon früh den Drang aus dem frommen und strikt christlichen Weltbild der Eltern auszubrechen und die Depressionsphasen, die er schon im Altern von 15 Jahren hat, ziehen sich fort bis ins hohe Alter. Die Verzweiflung, die die vergebliche Suche nach seiner wirklichen Identität mit sich zieht, bringt ihn oft zu einem Tiefpunkt in seinem Leben. Als Therapie schreibt er seine Gedanken und Gefühle in verschiedenen Büchern nieder. Auch „Siddhartha“ schildert die Suche nach dem wirklichen Ich und erweckt dadurch – mit etwas Hintergrundwissen über Hermann Hesse – den schwachen Verdacht, dass es sich hierbei um eine Autobiografie handelt. Während der Entstehungszeit von 1919 bis 1922 durchleidet Hermann Hesse die tiefste Lebenskrise, was auch der Grund dafür ist, dass das Buch in zwei Teile unterteilt worden ist.
Was muss man tun um Vollkommen zu sein? Was muss man tun, welche Gebete sprechen, welche Taten vollbringen, welche Erfahrungen sein Eigen nennen, um von sich behaupten zu können, man ist vollkommen, man hat sein Ziel erreicht, sich selbst entdeckt und kennengelernt. Welche Stationen im Leben muss man gehen, welche Schritte tun, wie viele Entscheidungen treffen und wie viele Fehler machen, um sein Ich zu ergründen.
Siddharthas Ziel ist es seit langer Zeit dieses Ich zu erkennen. Sein Durst kann durch keine Lehre und keine weitergegebenen Weisheiten von Priestern oder heiligen Schriften gestillt werden. Er ist verwirrt, vom Weg abgekommen, der nie seiner war. Als Brahmanensohn ist es ihm vorherbestimmt von den Priestern die Lehren des Buddha zu vernehmen, sich der Versenkung hinzugeben, Opfer zu bringen während Opferlieder gesungen werden und die heiligen Waschungen durchzuführen, um sich immer wieder von den Sünden rein zu waschen. Doch er erkennt bald, dass er durch solche Tätigkeiten, wie sie jeder andere Brahmane auch tagtäglich durchführt, niemals den ewigen Kreislauf durchbrechen kann. Ihm dürstet es danach, die Erlösung zu finden, in dem er seinen eigenen Weg findet. Er befürchtet von den Priestern bereits alles von ihrer Weisheit erfahren zu haben. Sie können ihm nichts mehr geben. Aus diesem Grund beschließt Siddhartha eines Tages nach der Versenkung, zu den Samanas zu gehen, um dort zu versuchen, sein Ich zu finden. Sein Freund und Schatten Govinda folgt ihm – wie auch sonst überallhin – zu den im Wald lebenden Asketen. Nachdem Siddharthas Vater anfänglich nicht zustimmt, seinen Sohn gehen zu lassen, bleibt Siddhartha doch standhaft und bringt seinen Vater schließlich zu der Erkenntnis, dass er sowieso schon lange nicht mehr zu Hause weilt, sondern sich bereits bei den Samanas befindet
Die Samanas nehmen die beiden Brahmanensöhne auf und lehren sie. Die Entfremdung des Körpers und der damit verbundenen Gelüste, Gefühle und Schmerzen ist nun der Hauptbestandteil der Lehren. Siddharthas Ziel steht ihm allgegenwärtig vor Augen: Die Entselbstung des eigenen Wesens, damit er für das Wunder des Innersten offen sein kann. Er lernt, seinem Körper und seinem Ich zu entfliehen, nur um dann enttäuscht wieder fest zu stellen, dass er immer wieder den Weg zurück gehen muss. Auch hier lebt er mit der Qual des auferlegten Kreislaufes und sieht keinen Ausweg daraus. Siddharthas skeptische Charakterzüge verleiten ihn immer wieder zu Misstrauen, Misstrauen in die Lehren der Brahmanen und Samanas, Misstrauen in den Sinn des Lehrens und Lernens, Misstrauen in die Erreichung der Erlösung durch das Führen eines frommen Lebens eines Samanas. Und so kommt es, dass die beiden Brahmanensöhne nach knapp drei Jahren beschließen, Gerüchten zu folgen, die davon sprechen, dass ein Buddha erschienen sei, ein Askete, der es geschafft habe, aus dem Kreislauf auszubrechen und die Erfahrung der Erleuchtung zu machen. Govinda, seiner neugierigen Seite folgend, unterbreitet Siddhartha den Vorschlag, diesen Buddha aufzusuchen und sich seine Lehren anzuhören, denn die Erleuchtung zu erleben, sei schließlich auch Siddharthas Ziel.
Die beiden machen sich auf den Weg zu dem Hain, in dem Gotama mit seinen Mönchen lebt. Gotama selbst, sieht auf den ersten Blick wie alle anderen Mönche aus, die in dem Hain leben – ein Asket mit einem gelben Gewand. Doch Siddhartha erkennt sofort, welche Erhabenheit, Reinheit und Vollkommenheit in jeder der Bewegungen des Buddhas steckt, mit welchem Licht und Frieden sein Wesen umgeben ist und wie sehr er ihn, allein wegen seiner friedlichen und heiligen Ausstrahlung liebt. Er vernimmt zusammen mit Govinda seine Lehren, doch Siddhartha ist nicht besonders angetan von jenen. Govinda schließt sich in Eifer und Bewunderung dem Buddha an. Siddhartha jedoch spricht von einem Fehler in den Lehren, welche der Erhabene lehrt und zieht nach einem Gespräch mit dem vollendeten Buddha weiter. Govinda fällt der Abschied von seinem Jugendfreund schwer, aber Siddhartha erklärt ihm, dass Govinda alleine durch die Entscheidung bei dem Erhabenen zu bleiben, zu einem Mann geworden sein und somit nicht mehr der Schatten von Siddhartha ist, sondern nun dem Buddha folgen soll und ihm auf seinem Weg folgt.
Siddhartha lässt durch die Entscheidung, den Buddha, seine Lehren und Govinda zu verlassen, seine Vergangenheit und somit auch sein altes Ich zurück. Nun liegt es an ihm ein neues Leben anzufangen, fern von Heimat, Freunden oder Lehren. In einem Augenblick der Klarheit erkenn Siddhartha, dass er bis jetzt nichts klar gesehen hat, dass der Schleier des Nachdenkens und des Analysierens, der Schleier des Sehenwollens, seinen Blick unscharf gemacht hat. Er sieht nun alles in einem ganz anderen Licht, er erkennt plötzlich die Einfachheit der Beschaffenheit des Seins eines jeden Menschen und eines jeden Dinges auf der Welt. Bisher ist er der Meinung gewesen, dass hinter allem stofflichen auch etwas stecken muss, das er das „Wesen“ nennt. Dabei hat er ganz übersehen, dass alleine durch das Betrachten eines Dinges bereits der Großteil des jeweiligen Wesens zu Tage tritt. Er fühlt sich wie neu geboren, die Zukunft völlig offen und unbestimmt von Siddharthas Vergangenheit und unberührt von allem was er erlebt hat. Er fühlt sich allein…und in diesem Moment des Alleinseins, verspürt er den Wunsch, sein Wesen und seinen Weg neu zu definieren, um es am Ende seines Weges kennen zu lernen.
Im Folgenden, erfüllt von seiner neuen Art, die Welt zu sehen, erreicht er eine Stadt. Dort trifft er noch vor den Toren auf Kamala, eine Kurtisane. Er ist sofort von ihr begeistert und bittet sie am folgenden Tag ihm das Lieben zu lehren, mit allem was dazu gehört. Kamala erklärt sich dazu bereit, ihn zu unterrichten, doch zuerst muss Siddhartha Geld verdienen, um sich Kleider kaufen zu können und Schuhe. Solange Siddhartha nicht ein Geschäftsmann sei, werde Kamala ihn nichts lehren. Als sie ihn fragt was er könne, nennt er die Talente, die er im Laufe der letzten Jahre erlernt hat und mit denen er zu dem geworden ist, das ihn heute ausmacht: Denken, fasten und warten. Kamala sieht in diesen Talenten nicht viel Potenzial, um im Handel zu bestehen und überhaupt ein Geschäftsmann zu werden. Aber sind diese drei Talente doch jene, die vielen Menschen fehlen und welche sie zu besseren und vielleicht auch glücklicheren Individuen machen würden. Auch heutzutage sind es diese drei simplen Fähigkeiten (und Fähigkeiten sind sie wahrlich, da man sie erst erlernen muss), die unseren Alltag etwas weniger trist und überfüllt von Selbstmitleid gestalten würden.
Für Siddhartha ist es nichts Neues auf etwas hart hinzuarbeiten, beschreibt er sich selbst doch auch als Stein, der den schnellsten Weg wählt um sein Ziel zu erreichen. Und so lernt er den Geschäftsmann Kamaswami kennen.
Obwohl Siddhartha in diesem Kapitel lernt, mit Geld umzugehen und ein Geschäftsmann wird, steht doch die Liebe und Lust im Vordergrund. Die Geschäfte, Leiden, Schmerzen und Freuden der Menschen in dieser Stadt berühren ihn nicht. Er arbeitet, um sich mit Kamala verabreden zu können. Macht er Gewinn, nimmt er es zur Kenntnis, freut sich aber auch nicht großartig darüber und genauso verhält es sich auch mit den Verlusten, die er immer wieder hinnehmen muss. Im Gegensatz zu den Geschäftslauten und Bekannten, ist er zwar mit seinem Verstand dabei, aber die Leidenschaft, wie sie zum Beispiel Kamaswami empfindet, verspürt er nicht im Geringsten. Er sieht das Leben der „Kindermenschen“ als Spiel an und handelt zwar nach den Regeln, die hier gelten, steht dem Geschehen jedoch unbeteiligt gegenüber. Er bezeichnet sich selbst als Zuschauer, der das Leben und die Beweggründe der Bevölkerung nicht gänzlich versteht. Alle Ereignisse, die ihm wiederfahren, stehen von seinem Standpunkt aus in einem positivem Licht. Auch wenn ihm etwas Schlechtes passiert, macht er sich die Fähigkeiten, die er bei den Samanas gelernt hat zu Nutze und bewirkt so, dass die Geschehnisse ihn nie wirklich in seinem Innersten berühren. Die Menschen in seiner Umgebung lernen den geduldigen Geschäftsmann zu schätzen und beklagen nun bei ihm ihre Sorgen, bitten um sein Mitgefühl und erbeten seinen Rat. Kamala lernt ihm indes alle ihre Künste, alle ihre Techniken und die Regeln der Liebe und der Lust. Als sie sich nach einem Lustspiel unterhalten, erzählt sie ihm, dass er ihr stärkster und bester Liebhaber sei und sie eines Tages ein Kind von ihm wolle. Sie stellt außerdem fest, dass er zwar die Regeln des Spiels der Kindermenschen gut lerne und einhalte, im Innersten jedoch immer noch ein Samana sei und auch, dass er deshalb nie wirklich lieben könne.
In den folgenden Jahren verblasst die Erinnerung an das Erwachen nach dem Verlassen des Hains des Buddhas immer mehr. Siddhartha ähnelt immer mehr den Kindermenschen und füllt seine Seele Tag um Tag mit Sorgen, Missmut und kindlicher Torheit. Seine Sinne schärfen sich nach Jahren der Abtötung bei den Samanas wieder und machen ihm nur allzu klar, wie abhängig er von Gütern geworden ist und wie sehr er sein Leben von Erfolg oder Verlust im Geschäft bestimmen lässt. Seine Seele wird träge, genauso wie sein Denken. Der einst stolze und erhabene Siddhartha verkümmert immer mehr zu einem von ihm verachteten Kindermenschen. Die Ungeduld in ihm wächst, die Schläfrigkeit steigt und die Faulheit zieht in seinen Geist ein. Doch es gibt immer noch eine Sache, um welche er die Kindermenschen beneidet: ihre Fähigkeit jemanden oder etwas mit dieser kindlichen Naivität zu lieben und sich mit Leidenschaft dieser Liebe zu einem Ding oder einer Person hinzugeben. Da sein Leben immer grauer und trüber wird, entwickelt sich eine gewisse Sucht, die wir heutzutage wohl die Sucht nach dem Adrenalinkick nennen würden. Er empfindet in nichts das er in seinem Leben tut mehr Glück oder Freude und diese Tatsache bringt ihn dazu, die Gefühle im Würfelspiel zu suchen und teilweise auch zu finden. Durch hohe Einsätze, die er regelmäßig verspielt, versucht er, wie er es ausdrückt, dem Reichtum und der Habgier sein Verabscheuen zu zeigen. Eines Nachts, nachdem er einige Zeit mit Kamala verbracht und sich von dem Zusammensein seiner Bekannten verabschiedet hat, klärt ein Traum den Nebel, der ihn in letzter Zeit umhüllt und festgehalten hat. In diesem Traum sieht er einen seltenen Singvogel, den er bei Kamala in einem Käfig immer bewundert hat, sterben und seine Stimmte für immer verklingen. Diesen toten Vogel nimmt Siddhartha gefühllos in die Hände und wirft ihn auf die Gasse. Erschrocken von jener Gefühllosigkeit mit welcher er den Vogel beseitigt hat, bemerkt er, dass auch seine innere Stimme gestorben scheint und somit auch das Wesen, das ihn immer ausgemacht und abgehoben hat von der Menge der Kindermenschen. Er beschließt, seinen Weg weiter zu gehen und verlässt die Stadt. Kamaswami lässt nach ihm suchen, Kamala jedoch hat dies immer geahnt und wundert sich nicht sehr darüber. Einige Wochen nach dem Verschwinden von Siddhartha, erfährt Kamala, dass sie schwanger sei.
IN tiefster Verzweiflung und versunken in Ekel vor sich selbst, wünscht sich Siddhartha nichts sehnlicher als den Tod, da ihn auch nichts mehr auf dieser Welt hält. Er hat bereits den Entschluss gefasst, sich in einem Fluss zu ertränken, den er einstmals nach dem Erhören des Gotamas mit einem Fährmann überquert hat, doch in diesem Moment des Entschlussfassens, hört er das Om aus seinem Inneren erklingen und erkennt die Torheit seines Tuns. Als Siddhartha aus einem tiefen und „verjüngendem“ Schlaf erwacht, sieht er sich Govinda gegensitzen, dieser jedoch erkennt ihn anfänglich nicht. In Gedanken durchreist er nun die Stationen in seinem Leben und sieht sich wieder als Kind und somit kindlich am Anfang stehen. Er ist erleichtert über die Tatsache, dass der Vogel in seinem Inneren trotz allem noch lebt und ihm selbst in seiner verzweifeltsten Stunde errettet hat. Er sieht seine Vergangenheit in dem Moment des Nachdenkens am Fluss in einem völlig anderen Licht und begreift, dass in den Jahren in denen er das Denken, Warten und Fasten erlernt hat, eigentlich nur sein hochmütiges Ich gefüttert hat, nicht jedoch abgetötet, wie er es bisher immer angenommen hat. Durch die Lust- und Machtspielchen, denen er sich als Geschäftsmann hingegeben hat, hat er auch den Samana und somit den alten und müden Siddhartha in sich getötet. Durch das Aufwachen aus dem tiefen Schlaf ist er in ein neues Leben erwacht.
Im Folgenden trifft Siddhartha auf den Fährmann von damals. Diese Begegnung bewahrheitet die Aussage des Fährmannes von damals: dass man sich immer ein zweites Mal im Leben trifft. Siddhartha nimmt die Einladung in die Hütte des Fährmannes Vasudeva dankend an und erzählt ihm auch seine Geschichte. Siddhartha beobachtet, mit welcher Hingabe der Fährmann seiner Geschichte lauscht und ist fasziniert, wie der Fährmann dieses Zuhören zu einer wahren Fähigkeit verwandelt. Er verrät Siddhartha auch, dass auch er dieses Geheimnis des Zuhörens vom Fluss lernen wird. Folglich lernt Siddhartha von Vasudeva, Boote zu bedienen und arbeitet für ihn. Vor allem jedoch, lernt Siddhartha in der Zeit, in der er am Fluss lebt von genau diesem. Nach einigen Jahren, erreicht die Beiden das Gerücht, dass der Erhabene, der Buddha, Gotama schwerkrank sei und bald für immer ins Nirwana eingehen würde. Kamala, welche sich mit ihrem Sohn auf den Weg zu Gotama macht, wird auf ihrem Weg, kurz vor dem Fluss, von einer Schlange gebissen. Siddhartha und Vasudeva kümmern sich um sie, doch der Todeskampf währt nicht mehr lange. Der letzte Gedanke, der in ihrem Kopf spross, ist jener, dass sie zwar zu Gotama pilgern wollte, um sein heiliges und vollendetes Gesicht zu sehen, es aber ebensogut ist, wenn sie nur in Siddharthas Gesicht blickt. In den Momenten nach Kamalas Tod, gedenkt Siddhartha der ewigwährenden Momenten und empfindet das Gefühl der Ewigkeit.
Siddharthas Sohn bleibt bei den beiden Fährmännern, die Erziehung von diesem jedoch, hat aus ihm einen verwöhnten Jungen gemacht, der weder die dargebotene Liebe von seinem Vater annehmen will, noch sich seinem Schicksal beugen und die Tatsache akzeptieren, dass er nun bei seinem Vater leben müsse. Vasudeva rät dem verzweifelten Siddhartha, seinen Sohn wieder in die Stadt zurück zu bringen – in seine bekannte Welt zurück, in der er aufgewachsen ist. Siddhartha, vollkommen hingerissen von seinem Sohn, will mit allen Mitteln verhindern, dass der kleine Siddhartha die gleichen Fehler macht, mit denen auch er sich konfrontiert gesehen hat – Geld- und Machtsucht. Vasudeva gibt ihm den weisen Rat, dass kein Vater seinen Sohn vor Fehlern bewahren kann und dass jeder sie selbst machen muss, um weise zu werden. Siddhartha, der sich immer noch weigert sein eigen Fleisch und Blut gehen zu lassen, sieht sich nun mit einer unangenehmen Tatsache konfrontiert. Nun, nach seiner ganzen langen Reise, nach Enttäuschungen und Fehlern, nach Absinken in die seiner Meinung nach verachtenswerteste Weise zu leben und nach Phasen der Verzweiflung und des Aufgebens, ist aus ihm nun ein wahrhaftiger Kindermensch geworden. Denn nun ist der Moment gekommen, in dem er bedingungslos liebt, der Liebe Tor geworden ist und in dem Gefühl der unerwiderten Liebe seinem Sohn gegenüber, sowohl Schmerz als auch Freude empfindet. Eines Tages ist der kleine Siddhartha verschwunden und natürlich versucht sein Vater ihn auf dem Weg zur Stadt einzuholen. Doch mitten im Weg sieht er ein, dass sein Handeln und sein Bedürfnis ihn zu sehen, töricht ist. So kehrt er verletzt und traurig zum Fluss zurück.
Nun, da Siddhartha selbst Liebe und den damit verbundenen Schmerz empfunden hat, fühlt er sich in der Lage mit allen anderen Menschen mitzufühlen. Er verachtet sie nun nicht mehr und beneidet sie sogar um manches. Das erste Mal, seit er seine Reise angetreten hat und unter den Kindermenschen gelebt hat, fühlt er sich wie einer von ihnen und sich durch eine eigentümliche Art mit ihnen verbunden. Durch viel Nachdenken, gelangt er zu dem Schluss, dass jeder Mensch im Grunde gleich ist.
Nachdem Siddhartha einen weiteres und letztes Mal seinem inneren Trieb nachgibt und seinen Schmerz um den Verlust seines Sohnes stillen will, indem er ihm in der Stadt aufsucht, hält ihn dieses Mal der Fluss auf, seinen Weg bis zum Ende zugehen. Er erblickt in der Wasseroberfläche sein Spiegelbild und wird unwillkürlich an seinen eigenen Vater erinnert und daran, dass auch dieser denselben Schmerz ausgehalten haben muss, als Siddhartha ihn damals verlassen hat und nie wieder zurückgekehrt ist. Im Folgenden öffnet Siddhartha sich Vasudeva gegenüber vollkommen, erzählt dem Erhabensten der Zuhörer alle seine Gedanken und erkennt mitten im Monolog, dass auch Vasudeva zu jenen Menschen gehört, die vollendet sind und dass Siddhartha nicht weit davon entfernt ist, so zu werden wie er. Während er fortfährt, seine Gefühle Vasudeva gegenüber zu beschreiben, nimmt er leise Abschied von seinem Lehrmeister. Nach dem öffnenden Gespräch, lauschen beide dem Fluss und Siddhartha macht eine Erfahrung, wie er sie bisher noch nie erlebt hat. Obwohl er von Anfang an realisiert hat, dass der Fluss tausend Stimmen besitzt – lachende, weinende, kindliche, weise… - fällt ihm jetzt erst auf, dass alle diese Stimmen ineinander verwoben und auf tausendfache Weise verbunden sind und so ein klares einheitliches Bild ergeben. Er hat nun den Blick für das Alles in einem jeden Einzelteil, sieht die Vollendung in allem und jedem. Dieses letzte Lauschen mit Vasudeva, der Siddhartha bald darauf verlässt und in den Wald geht, hat Siddhartha die Erleuchtung gebracht.
Als Siddhartha ein letztes Mal auf seinen Jugendfreund Govinda trifft, diesem erzählt, wie sein Leben verlaufen ist und ihm erklärt, dass man Weisheit nicht mitteilen kann, stehen sich der ewig Suchende und der Erleuchtete gegenüber und bilden so einen krassen Gegensatz. Govinda, ewig ein Ziel vor Augen und beinahe blind vor Versessenheit auf das Finden und Siddhartha, frei von Leidenschaft, Wünschen, Urteilen, Meinungen, Aufgaben und Zielen. Siddhartha hat Weisheit dadurch erlangt, selbst Erfahrungen zu machen, von ganz oben nach ganz unten zu fallen, sich jeglichen Lastern und Wünschen der Kindermenschen – also des einfachen Lebens – hinzugeben, an von Verzweiflung und Selbsthass hervorgerufenen Selbstmordgedanken beinahe zu sterben und hat sich trotz allem wieder hoch raffen können und ist nur durch Lauschen, durch Still werden und einfachem Leben zur ewigen Weisheit gelangt und somit zu einem Heiligen geworden. Govinda jedoch ist sein Leben lang den Regeln seines Glaubens gefolgt, hat ein striktes Ziel vor Augen gehabt, das zu finden seine Lebensaufgabe dargestellt hat.
So sehr Siddhartha vernünftig, gelehrig und gehörig ist – ob es nun seinem Vater oder den Regeln einer Religion oder einer Lebensweise gegenüber betrachtet wird – so ist er auch genauso willensstark und eigensinnig, wenn es darum geht, ein Ziel zu erreichen.

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